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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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verschloss ihr den Mund. Dann löste er sich von ihr.  
    »Ich komme mit!«, beharrte Moira. Sie machte sich bereit, als Nächste hinauszuklettern. Doch bevor sie ihren Rock raffen konnte, hatte Duncan sich schon auf die Fensterbank geschwungen. Zu spät erkannte sie, dass er das Seil vom Bettgeländer gelöst hatte. Sie stürzte kniend auf das Bett und konnte gerade noch sehen, wie er geschmeidig wie eine Katze auf dem Rasen hinter dem Haus landete.  
    Fast hätte sie geschrien. Auch wenn Duncan sie nur schützen wollte – er hatte sie ausgetrickst! Fassungslos blickte sie auf ihn hinunter.  
    »Warte hier auf mich«, rief er gedämpft zu ihr hinauf, dann zog Mrs King sie vom Fenster zurück.  

21.  
     
    Duncan presste sich an die Hauswand, das zusammengedrehte Bettlaken lag neben ihm auf der Erde. Noch war keiner der Rotröcke zu sehen, aber er hörte Schüsse und Rufe. Direkt vor ihm lag eine Wiese. Bis Samuel und er zwischen den Bäumen verschwinden konnten, mussten sie eine Strecke von über hundert Schritt überbrücken, in freiem Gelände. Wie auf dem Präsentierteller. Links dagegen, an der Schmalseite des Hauses, erstreckten sich nach wenigen Schritten dichtes Unterholz und Bäume. Er gab Samuel, der näher an der Hausecke stand, ein Zeichen. Langsam wagte sich der Hüne vor. Duncan erstarrte; ein Soldat schob sich um die Ecke, das Gewehr mit dem aufgepflanzten Bajonett im Anschlag. Im nächsten Moment hatte Samuel sich auf den Mann gestürzt. Der Soldat schrie auf, fand aber keine Zeit mehr, seine Waffe abzufeuern. Duncan hörte es knacken, dann sank der Mann reglos zu Boden.  
    »Bist du verletzt?«, flüsterte er.  
    Samuel schüttelte den Kopf. Vorsichtig blickte Duncan an Samuel vorbei um die Hausecke. Alles war frei, der Soldat war alleine gewesen. Es war ein junger Mann, kaum älter als er selbst, der jetzt vor ihnen im Gras lag. Sein Kopf war verdreht wie eine vom Stängel abgeknickte Blüte.  
    Samuel starrte auf seine Pranken. »Ich habe ihn umgebracht«, murmelte er. Er war fast so weiß wie die Hauswand.  
    Duncan sah sich um. Dort, unter den Eukalyptusbäumen hinter den Büschen, bewegte sich etwas. Stand dort tatsächlich jemand und winkte ihnen? Er erkannte den blonden Haarschopf. Ja, das war – July! Er nickte ihr zu und zog den Hünen mit sich.  
    *  
    Sie hätte nicht herkommen dürfen. Die lauten Geräusche, das Knallen und der Rauch machten ihr Angst. Auch der Dingo an ihrer Seite zitterte und hatte den Schwanz unter seinen Körper geklemmt. Aber es hatte sie mit unwiderstehlicher Macht hergezogen. Auch wenn dort die Männer von Major waren und schlimme Dinge taten. Aber dort war auch Dan-Kin. Und er war in Gefahr, das spürte sie.  
    Sobald Ningali merkte, dass Dan-Kin und der Riese sie gesehen hatten, drehte sie sich um und lief zurück. Ein Weg führte in den Wald, von Gestrüpp und niedrigem Gehölz befreit und mit Sand belegt. Ein Weg der Weißen. Keiner der Pfade ihres Volkes.  
    Sie blieb stehen, drehte sich um und wartete, bis die beiden Männer zu ihr aufgeschlossen hatten. Aus dem großen Gebäude sah sie drei weitere Personen, die ganz ähnlich angezogen waren wie Dan-Kin und der Riese, in die andere Richtung laufen. Ein lauter Knall ertönte, dann brach einer der drei zusammen. Die anderen rannten weiter, hinein in den Wald.  
    Männer in Rot und Weiß hatten den Toten, den der Riese umgebracht hatte, entdeckt und scharten sich um die Leiche. Dann deutete einer auf den Weg, genau in Ningalis Richtung, und rief etwas. Ein paar setzten ihnen nach. Ningali begann zu traben, ein leichter, müheloser Lauf, den sie lange Zeit durchhalten konnte. Dan-Kin und der Riese taten es ihr nach.  
    Ihre Verfolger näherten sich. Ningali hörte das Geräusch der vielen Füße und blieb so abrupt stehen, dass der Riese fast gegen sie geprallt wäre.  
    »Was …«, keuchte er.  
    Sie legte den Finger auf die Lippen, zog Dan-Kin und den Riesen ins dichte Unterholz und bedeutete ihnen, sich zu ducken und den Kopf zu senken. Mehr konnte sie nicht von ihnen verlangen. Natürlich war es ihnen nicht möglich, wie die Eora geradezu mit der Umgebung zu verschmelzen.  
    Es dauerte nur wenige Atemzüge, bis die Rot-Weißen auf dem Weg erschienen, unüberhörbar durch ihr Schnaufen und den gleichmäßigen Klang ihrer bekleideten Füße auf dem Waldboden. Kein Eora würde je so laufen; wie konnten sie da spüren, wo sie hintraten? Und jeder hatte eine dieser Waffen bei sich, die so

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