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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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lange niemand mehr empfangen. Obwohl ich keine Ahnung habe, was ich hier esse.«  
    Duncan drehte sich zu Ningali, die die ganze Zeit nicht von seiner Seite gewichen war, und deutete auf die Überreste des Tieres. »Was ist das?«  
    Sie lächelte und sagte etwas, das wie »Wom-Back« klang.  
    Die Abenddämmerung legte sich rubinrot über das kleine Lager mit den Rindenhütten, das Feuer warf zuckende Schatten in die Bäume. Duncan schien es, als kämen immer weitere Eingeborene, um sie zu begutachten.  
    »Wie heißt euer Stamm?«, wollte er von Ningali wissen. Ob sie ihn verstand?  
    »Es heißt Clan, nicht Stamm«, erklang in diesem Moment eine tiefe Stimme auf Englisch hinter ihm.  
    Duncan zuckte zusammen und drehte sich um, heißer Schreck durchfuhr ihn. Waren ihnen die Rotröcke bis hierher gefolgt? Aber schon war Ningali aufgesprungen und zu dem Neuankömmling gelaufen. Auch Duncan richtete sich auf.  
    Es war kein englischer Soldat, der da gesprochen hatte. Der Oberkörper des Mannes war in ein struppiges Fell, wahrscheinlich das eines Kängurus, gehüllt. Ein dichter grauer Bart bedeckte den größten Teil seines Gesichts, die langen grauen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden.  
    »Bei meinen Eiern!«, entfuhr es Samuel, der neben Duncan auf die Füße kam. »Ihr seid ein Weißer!«  
    Ningali schmiegte sich an den Graubärtigen. War das etwa ihr Vater? Das würde zumindest ihre hellere Hautfarbe erklären.  
    »Was macht ein Weißer an diesem Ort?«, fragte Samuel. »Unter Wilden?«  
    »Sie sind keine Wilden«, gab der Mann zurück. »Sie gehören zum Clan der Eora , und sie leben hier, seit ihre Ahnen das Land geschaffen haben. Die Weißen haben ihnen nur Krankheit und Tod gebracht.« Er klang, als sei es lange her, dass er Englisch gesprochen hatte. Dennoch war der irische Akzent unüberhörbar.  
    »Hört sich an, als wärt Ihr einer von ihnen«, sagte Samuel.  
    »Das bin ich. Seit vielen Jahren. Hier nennt man mich Bun-Boe.« Der Graubärtige strich dem Mädchen über den Kopf. »Und das ist meine Tochter Ningali. Hat sie Euch hierhergeführt? Dann seid willkommen.«  
    Samuel wischte sich den Mund ab, rülpste zufrieden und streckte ihm seine riesige Pranke hin. »Fitzgerald. Samuel Fitzgerald. Und das ist – he, was ist los mit dir, Mann?«  
    Duncan konnte nicht anders, als diesen Bun-Boe anzustarren. Eine ganze Kaskade von Empfindungen rauschte durch ihn hindurch. Die Stimme! Er kannte diese Stimme! Sie berührte etwas tief in seinem Inneren. Etwas, das viele Jahre zurücklag. Konnte es sein, dass … Nein, das war unmöglich. Völlig unmöglich.  
    »Ihr kommt aus Irland?«, fragte er mühsam.  
    Bun-Boe nickte.  
    »Woher genau?«  
    Der Ältere kniff die Augen unter den buschigen Brauen zusammen. »Aus der Gegend von Waterford. Wieso wollt Ihr das wissen?«  
    »Kein Grund, uns zu misstrauen«, mischte sich Samuel ein. »Ihr seid ein geflohener Sträfling, nehme ich an. Das sind wir ebenfalls.«  
    Duncan spürte sein Herz laut schlagen, er kam sich vor wie in einem Traum. Er musste mehr wissen, mehr erfahren …  
    »Ich kannte jemanden aus Waterford«, sagte er langsam, während er den Graubärtigen genau beobachtete. »Ihr Name war Eileen Kelly. Das schönste Mädchen der ganzen Grafschaft.«  
    Bun-Boe zuckte zusammen. »So habe ich sie immer genannt!« Er blickte Duncan argwöhnisch an. »Ihr seid viel zu jung, um sie gekannt zu haben. Wer seid Ihr? Was wollt Ihr von mir?«  
    »Sie hat einen Jungen zur Welt gebracht«, fuhr Duncan leise fort, ohne auf die Frage einzugehen. »Im Dezember Fünfundsiebzig.«  
    »Wer in Gottes Namen seid Ihr?« Bun-Boes Stimme klang plötzlich heiser. »Was habt Ihr mit Eileen zu tun? Lasst die Toten in Frieden ruhen!«  
    Duncan blickte ihn schweigend an, das Herz trommelte in seiner Brust. »Sie war meine Mutter«, sagte er kaum hörbar.  
    Trotz des flimmernden Feuerscheins sah er, wie dem Älteren jede Farbe aus dem Gesicht wich. »O mein Gott. Duncan?«  
    »Moment mal«, unterbrach ihn Samuel und schaute vom einen zum anderen. »Was hat das zu bedeuten? Ihr kennt euch?«  
    Duncan nickte langsam, ohne den Blick von dem Mann zu nehmen. »Das ist Joseph O’Sullivan. Mein Vater.«  
    *  
    »Mrs McIntyre, ich frage Euch zum letzten Mal: Wo sind dieser O’Sullivan und sein Spießgeselle?« Major Penrith beugte sich vor, legte die Fingerspitzen zusammen und sah Moira mit seinen wässrig-kalten Augen durchdringend

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