Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
serviert wurde.  
    Die Kerzenflammen warfen ein flackerndes Licht auf die Tischgesellschaft, die sich an diesem Abend in der Offiziersmesse eingefunden hatte.  
    »Habt Ihr schon die Geschichte von Holt, Fulton und den Chilischoten gehört?«, fragte Sergeant Cotton in die Runde.  
    Als Moira sich ihm zuwandte, fiel ihr Blick auf McIntyres entblößten Hinterkopf. Seit ihm bei stürmischem Wetter die Perücke über Bord geweht worden war, musste er notgedrungen auf dieses Relikt einer vergangenen Epoche verzichten. Seine Haare waren leicht gelockt und von rötlich brauner Farbe, etwas dunkler als sein Backenbart, und mit einzelnen grauen Haaren durchzogen. Von seinem Hinterkopf starrte sie ein leicht fettiger Wirbel an, unter dem sich die Kopfhaut abzeichnete. Moira schluckte angewidert und versuchte, nicht mehr hinzusehen, doch ihr Blick kehrte immer wieder zu diesem Wirbel zurück. Sie musste sich zwingen, Sergeant Cottons Ausführungen zuzuhören, der gerade zum Besten gab, wie sie vor der Küste Brasiliens auf einen portugiesischen Schoner getroffen waren. Eine der Chilischoten, die sie von den Portugiesen erhalten hatten, hatte Cotton dem Rebellengeneral Joseph Holt zum Probieren gegeben.  
    »Der arme Kerl ist über das Deck gehüpft, als hätten sich hinter ihm die Pforten der Hölle aufgetan«, feixte Cotton und nahm sich noch etwas von dem Schildkrötenragout. »Woraufhin Holt, nachdem er sich wieder erholt hatte, das feurige Vergnügen sogleich an Reverend Fulton weitergab.«  
    Unter großem Gelächter der anwesenden Seeleute und Soldaten war der dermaßen Geschädigte herumgerannt und hatte sich bitterlich über diese Unbill beschwert. Holt hatte sich daraufhin erboten, einen Priester zu holen, der dem Reverend die Beichte abnehmen könne.  
    »Ihr hättet den Reverend sehen sollen«, kicherte Cotton. »Als säße ein Teufelchen in seinem Allerwertesten!«  
    »Sergeant, es sind Damen anwesend!«, rügte ihn Captain Salkeld.  
    Cotton verschluckte sich fast an seinem Lachen und deutete eine Verneigung in Moiras und Mrs Cox’ Richtung an.  
    »Verzeiht mir, meine Damen. Euer Diener.«  
    Mrs Cox, eine füllige, stille Frau, senkte huldvoll ihren Kopf.  
    »Apropos Damen«, wandte Moira sich an den Zahlmeister des New South Wales Corps. »Ich habe heute die weiblichen Gefangenen an Deck gesehen. Was erwartet diese Frauen in den Kolonien, Zahlmeister Cox?«  
    Alle Blicke wandten sich ihr zu, als hätte sie etwas Unanständiges gesagt.  
    »Nun«, erwiderte Cox mit einem Achselzucken, »wenn sie Glück haben, kommen sie zu einem Dienstherren, der sie im Haus beschäftigt, oder sie finden unter den freigelassenen Sträflingen einen Ehemann. Andernfalls müssen sie wie die Männer körperliche Arbeit verrichten oder in den Hütten der Gefangenen Dienst tun. Die meisten werden wohl als Prostituierte enden – so, wie sie auch angefangen haben.«  
    Moira starrte ihn an. »Aber das ist ja entsetzlich!«  
    »Liebe Mrs McIntyre, dieses Los haben sie sich selbst zuzuschreiben. Diese Frauen haben ihr Schicksal verdient. Schließlich handelt es sich bei ihnen um rechtskräftig verurteilte Verbrecherinnen.«  
    Das Gespräch wandte sich wieder anderen Themen zu, die Teller wurden abgeräumt und durch neue ersetzt, dann wurden zwei Platten mit aufgeschnittener Wassermelone serviert. Moira schwieg und dachte nach. Hausangestellte. Nun, in Neuholland würden sie eine Magd brauchen …  
    »Und Ihr, Dr. McIntyre«, hörte sie dann Captain Salkeld sagen. »Was führt Euch in die Kolonien?«  
    Moira bemerkte das Zögern, mit dem McIntyre auf diese Frage reagierte. Er setzte sein Glas ab und räusperte sich umständlich. »Ein Freund«, sagte er dann und strich sich über den Backenbart. »Dr. Jamison. Wir haben zusammen in Irland studiert. Er braucht Unterstützung und hat mir angeboten, im Lazarett von Parramatta oder in Toongabbie zu praktizieren. Es gibt noch immer viel zu wenige Ärzte in Neusüdwales. Möglicherweise wird man mich aber auch an einen anderen Ort schicken. Ich muss mich den Befehlen beugen.«  
    Die Männer nickten wissend. Wie die anderen Anwesenden unterstand McIntyre jetzt der britischen Militärregierung in Neusüdwales; kurz vor der Abreise war er daher zum Gefreiten ernannt worden.  
    »Dr. McIntyre«, wiederholte Harrison, der erste Offizier, nachdenklich und trommelte mit seinen Fingern auf den Tisch. »Irgendwo habe ich diesen Namen schon einmal gehört. Oder gelesen.

Weitere Kostenlose Bücher