Das Lied der roten Erde (German Edition)
einer solchen Gleichförmigkeit, dass sie manchmal hätte schreien mögen vor Heimweh und Langeweile. Der dreiwöchige Aufenthalt in Rio de Janeiro lag nun schon wieder einige Tage hinter ihnen. Knapp zwei Monate hatten sie für die Reise dorthin gebraucht, und es würde noch einmal so lange dauern, bis sie endlich Neuholland erreicht haben würden.
Dabei kamen sie gut voran, sogar besser als erwartet, wie Captain Salkeld ihr erst gestern gesagt hatte. Auf einem großen Globus hatte der Captain ihr gezeigt, welche Route sie segelten: Mit den Passatwinden bis nach Südamerika, dann erneut über den Atlantik, am südlichen Zipfel Afrikas vorbei und durch den indischen Ozean.
Mit den anderen weiblichen Passagieren an Bord, den Ehefrauen der Soldaten des New South Wales Corps oder den zukünftigen Siedlerfrauen, wurde sie nicht richtig warm. Einzig mit Mrs Bolton, der Frau des Schiffszimmermanns, hatte sie sich angefreundet. Moira bewunderte die junge Frau, die sich als blinder Passagier auf das Schiff geschlichen hatte, um ihrem frisch angetrauten Ehemann zu folgen. Aber seit man ihre Anwesenheit entdeckt hatte, war Mrs Bolton meist bei ihrem Mann, so dass Moira wieder nur die eigene Gesellschaft blieb. Und die anderen Frauen sahen ihr größtes Glück darin, ihren Männern einen Haufen Kinder zu schenken. Fast alle ihrer Gesprächsthemen drehten sich nur darum. Und natürlich fragten sie auch bei Moira immer wieder nach, ob sie guter Hoffnung sei.
An den mangelnden Bemühungen ihres Ehemanns lag es jedenfalls nicht, dass Moira noch immer kein Kind erwartete. Sie hatte schnell gelernt, dass es besser war, sich zu fügen. Wenigstens war es nicht mehr so schmerzhaft wie beim ersten Mal. Wenn sie die Zeit und die Möglichkeit dazu fand, rieb Moira sich kurz vor McIntyres nächtlichen Besuchen mit Speiseöl ein, was die Sache zumindest erträglich machte. Dennoch empfand sie nicht das geringste Vergnügen dabei. Sie hatte auch nicht den Eindruck, als würde es ihrem Ehemann gefallen, und doch kam er bis auf die Zeit, in der sie unpässlich war, jede zweite Nacht zu ihr und erfüllte grimmig wie ein Heerführer in der Schlacht seine Pflicht.
Oft fragte sie sich, wie es Victoria, seine erste Frau, mit ihm ausgehalten hatte. Moira wusste kaum etwas über sie, obwohl sie ihren Ehemann schon mehrmals darauf angesprochen hatte. Doch mehr als ihren Namen und dass sie im vergangenen Herbst gestorben war, hatte sie nicht erfahren.
So vergingen die Nächte. Die Tage waren nur wenig erfreulicher. Um sich die endlosen Stunden zu vertreiben, ging sie an Deck spazieren, schrieb seitenlange Briefe voller Belanglosigkeiten, die sie vermutlich nie abschicken würde, an Ivy und Mr Currans Tochter Sarah, oder sie las. Die wenigen Bücher, die sie hatte mitnehmen können, kannte sie mittlerweile fast auswendig. Reverend Fulton riet ihr zum Bibelstudium, und von Mrs Cox, der Frau des Zahlmeisters, hatte sie sich einige erbauliche Romane ausgeliehen, aber all das füllte sie nicht aus.
Moira strich sich eine widerspenstige Strähne hinter das Ohr und begann, die trübe Flüssigkeit durch ein feines Baumwolltuch in einen Becher abzuseihen. Wie viel besser war es doch, etwas Sinnvolles zu tun, und sei es auch nur so etwas Einfaches wie das Herstellen von Mandelmilch. Die Kuh, die Zahlmeister Cox aus Rio de Janeiro an Bord gebracht hatte, hatte schon kurz nach dem Aufbruch keine Milch mehr gegeben, so dass sie erneut auf das erprobte Rezept zurückgreifen mussten. Es gab genug Passagiere an Bord, die nicht auf ihre Milch im Tee verzichten wollten, und nachdem Moira einmal Dr. Price zugesehen hatte, wie er mit einfachsten Mitteln einen vortrefflichen Milchersatz zubereitete, hatte sie sich bereit erklärt, sich auch einmal an der Herstellung zu versuchen.
Während sich das Gefäß mit der milchigen Flüssigkeit füllte, schaute Moira hinüber zu der Gruppe von Frauen, die sich gerade hinter der Absperrung die Beine vertraten. Dass es auch weibliche Sträflinge an Bord der Minerva gab, war Moira anfangs nicht klar gewesen. Wie ihr Dr. Price erzählt hatte, der über alle Vorkommnisse auf dieser Reise gewissenhaft Tagebuch führte, waren die gut zwei Dutzend Frauen ebenfalls auf dem Zwischendeck untergebracht, nur durch eine Bretterwand getrennt von den männlichen Gefangenen.
Es gab zahlreiche Vergehen, die dazu führen konnten, dass man in die Strafkolonien geschickt wurde. Die meisten dieser Frauen waren
Weitere Kostenlose Bücher