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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Kreuz des Südens bildeten; drei bläuliche und einen weißen, auf einem Bett aus schwarzem Samt.  
    »Wunderschön, nicht wahr?« Ein junger Mann in Offiziersuniform war neben sie getreten. Er hatte ein breites, freundliches Gesicht. »Wusstet Ihr, dass die ersten Seefahrer diese Sternenformation das ›Kreuz des Glaubens‹ nannten, als sie es am südlichen Himmel sahen?«  
    Moira verneinte höflich.  
    »Penrith«, stellte sich der Offizier vor, unter dessen roter Uniformjacke sich ein leichter Bauchansatz spannte. »Sergeant William Penrith. Ich bin der Verwalter des Gefangenenlagers von Toongabbie.«  
    »McIntyre. Mrs Moira McIntyre«, gab Moira freundlich und ein wenig neugierig zurück. Lagerverwalter? Der Mann konnte höchstens Anfang zwanzig sein. »Eine beeindruckende Karriere, Sergeant Penrith. Dann seid Ihr schon lange in Neusüdwales?«  
    »Oh, bitte nennt mich William. Nein, ich bin noch nicht lange hier. Und ganz im Vertrauen: Hätte mir mein Bruder kein Offizierspatent gekauft, wäre ich wohl noch immer ein kleines Licht in der Armee.« Seine Augen glänzten; so gesprächig, wie er war, schien er dem Alkohol schon reichlich zugesprochen zu haben. »Ich glaube, Ihr hattet bereits das Vergnügen.« Er deutete ins Hausinnere, wo Moira den unangenehmen Major erblickte, der Ann auf der Minerva für sich gefordert hatte.  
    Sie nickte, enthielt sich aber eines Kommentars. Deswegen war ihr sein Name so bekannt vorgekommen. »Dann werden wir uns in Zukunft wohl öfter über den Weg laufen, Ser… William.«  
    »Ich hoffe doch sehr.« Er zwinkerte ihr unbeholfen zu. Moira fühlte sich an einen tapsigen Bären erinnert. Nett, aber auch ein wenig fade. »Wenn Ihr Hilfe braucht, stehe ich Euch jederzeit zur Verfügung.« Er verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung.  
    Moira blieb nicht lange allein.  
    »Ich bin ja so froh, dass die Minerva unsere Salzvorräte aufstocken konnte.« Die füllige Mrs Zuckerman gesellte sich zu ihr. In ihrem Kleid in hellem Orange wirkte sie wie eine verkleidete Steckrübe. »Zwischenzeitlich hatte man schon begonnen, die Vorräte zu rationieren. Stellt Euch das einmal vor! Sie sind auf zwei Drittel der üblichen Wochenration hinuntergegangen.«  
    Moira bemühte sich, ihre aufkommende Gereiztheit nicht zu zeigen. Am Nachmittag war sie noch froh gewesen, so schnell Anschluss gefunden zu haben. Mittlerweile ging ihr die dicke Frau allerdings gehörig auf die Nerven. Mrs Zuckerman hatte ihr bereits ihre gesamte Lebensgeschichte anvertraut und sie zudem mit dem Klatsch der Kolonie versorgt.  
    »Oh, und Ihr müsst mir unbedingt Eure Modejournale überlassen!« Mrs Zuckerman sah sie erwartungsvoll an. »Wir sind hier doch vollkommen ahnungslos, was die neuesten Schnitte betrifft.«  
    Moira versprach es und hoffte, nun eine Weile unbehelligt zu bleiben. Natürlich war es eine vergebliche Hoffnung.  
    »Und?«, wollte Mrs Zuckerman als Nächstes wissen. »Wie gefällt Euch Sydney?«  
    »Sehr gut«, erwiderte Moira wahrheitsgemäß. »Es ist viel – zivilisierter, als ich erwartet habe.«  
    Sie hatte mit einem Trampelpfad und ein paar Holzhütten am Rande der Wildnis gerechnet, aber Sydney war längst zu einer kleinen Stadt herangewachsen, mit einer breiten Hauptstraße und einfachen, einstöckigen Gebäuden, die meisten davon aus Holz. Es gab hier nur wenige Häuser aus Ziegelsteinen, was vor allem an der Schwierigkeit lag, geeigneten Mörtel herzustellen. Da der Kalkstein für den Mörtel fehlte, behalf man sich mit zermahlenen und gebrannten Muschelschalen. In Sydney lebten, so hatte sie erfahren, über zweitausend Menschen, ein Großteil davon Sträflinge. Noch einmal so viele verteilten sich auf Parramatta, Toongabbie und die umliegenden Farmen.  
    Als Moira heute durch die Stadt geschlendert war, war sie an einem Lazarettgebäude und einem Getreidespeicher vorbeigekommen. Sie hatte Windmühlen gesehen, deren tuchbespannte Flügel sich im Wind drehten, eine Werft und sogar ein Theater. Auf der Kuppe oberhalb der Bucht stand ein Militärgebäude, geschützt von zwei Kanonen. Überall wurde gebaut, gesägt und gehämmert. Scharen von Sträflingen waren damit beschäftigt, weitere Lagerhäuser zu errichten und das Fundament einer neuen Kirche zu legen, nachdem die erste, wie man ihr erzählt hatte, von ein paar Bösewichtern niedergebrannt worden war. Und wie grün es hier war! Ein anderes Grün als in Irland, doch nicht weniger wohltuend für das Auge.

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