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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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sich und warf dem Mann aus Sydney einen eisigen Blick zu. »Es geht in der Tat um einen Anspruch. Aber hinten, bei den Frauen.«  
    Schnell hatte sie das Problem erläutert, und obwohl Cox über diese Störung nicht eben erfreut schien, übergab er die Liste seinem Gehilfen und ging zu den weiblichen Gefangenen. Moira folgte ihm, nicht ohne sich vorher noch einmal verstohlen nach dem jungen Sträfling umgedreht zu haben. Auch er hatte sie angesehen. Und selbst jetzt noch glaubte sie seinen Blick in ihrem Rücken zu spüren, brennend wie eine lodernde Flamme.  
    *  
    Die letzten Töne der Violine verklangen in dem von Kerzenlicht beleuchteten Raum. Gouverneur Hunter, ein nicht mehr junger Mann mit hoher Stirn und scharfer Nase, senkte sein Instrument und verneigte sich. Begeistertes Klatschen ertönte. Auch Moira applaudierte höflich mit. Hunters Spiel war laienhaft, wenn auch nicht unmelodisch gewesen, aber die Gesellschaft feierte hier jede noch so kleine Darbietung.  
    Heute, am achtzehnten Januar, fanden überall Feierlichkeiten zum Geburtstag von König George III. von England statt. Paraden, Salutschüsse, gehisste Flaggen allerorten. Man hätte meinen können, sich in Irland oder England zu befinden. Im Anschluss an diese offiziellen Veranstaltungen gab der Gouverneur einen großen Empfang, zu dem jeder geladen war, der in der jungen Kolonie Rang und Namen hatte.  
    Das Gespräch wandte sich jetzt der erstaunlichen Tierwelt von Neusüdwales zu.  
    »Manchmal glaube ich«, sagte der Gouverneur, der von einigen interessierten Gästen umringt war, »Gott habe auf diesem Kontinent die merkwürdigsten Wesen versammelt. Vor kurzem erst habe ich einen abgezogenen Haarbalg der seltsamsten aller Kreaturen an die Philosophische Gesellschaft in England geschickt.« Er gab einem livrierten Diener ein Handzeichen, der sich entfernte und gleich darauf mit einem Blatt Papier zurückkehrte.  
    »Ich halte dieses Tier«, der Gouverneur legte die Zeichnung auf den Tisch, »für das Ergebnis eines promiskuitiven Verkehrs der unterschiedlichen Tiergeschlechter.«  
    Ein allgemeines Raunen war die Folge, als man das Bild eines maulwurfähnlichen Wesens mit Entenschnabel und Biberschwanz betrachtete.  
    »In der Tat«, bemerkte ein kurz gewachsener Mann mit fliehendem Kinn. »Diese Kreatur besitzt die Merkmale eines Fisches, eines Vogels und eines Vierbeiners. Wie überaus ungewöhnlich.«  
    »In den verschiedenen Regionen der Erde sind die jeweils lebhaftesten und nützlichsten Vierbeiner um den Menschen geschart«, meldete sich nun auch Dr. Price zu Wort. »Nur in den entfernten Einöden der Welt finden sich die  hilflosen, deformierten und monströsen Werke der Natur.«  
    In dieser Weise ging es noch eine Weile weiter, ab und zu kurz unterbrochen von erstaunten Ausrufen. Moira unterdrückte ein Gähnen und blickte sich um. McIntyre hatte sich abgesetzt; er unterhielt sich mit Dr. Jamison, seinem Bekannten aus Studientagen. Jamison, ein melancholisch wirkender Mann mit fülliger weißer Haartolle, war im gleichen Alter wie McIntyre. Seit er vor zwölf Jahren mit der Ersten Flotte nach Neusüdwales gekommen war, hatte er den Posten des stellvertretenden Arztes der Kolonie inne. Er war es gewesen, der McIntyre an diesen vergessenen Flecken Erde gerufen hatte.  
    Moira sehnte sich nach frischer Luft und trat hinaus auf die offene Veranda, wo ein paar Fackeln brannten. Trotz der späten Stunde herrschte noch immer feuchte Schwüle. Sie fächelte sich Luft zu, die erfüllt war von einem ganz besonderen Geruch, einer Mischung aus Eukalyptus und Meeresluft. Schemenhaft konnte sie die Umrisse der Bäume erkennen, die in Gouverneur Hunters Garten standen; Obstbäume von exotischer Pracht, die ihnen heute Abend ein Dessert aus wunderbar süßen Pfirsichen beschert hatten.  
    Die Residenz des Gouverneurs stand am Ostufer der Bucht auf einer Anhöhe und überblickte Sydney fast wie eine Burg, die über ihren Vasallen thronte. Während Moiras Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, erkannte sie immer mehr Details. Dort unten lag der Hafen und in ihm die Minerva . Daneben weitere Schiffe. Einige wenige Laternen wiesen Bug und Heck aus. Von der Schönheit der Natur konnte Moira an diesem Abend nichts mehr sehen, aber das Funkeln der Lichter, die sich im Wasser spiegelten, hatte seinen ganz eigenen Reiz.  
    Es musste bald Mitternacht sein. Sie legte den Kopf in den Nacken und erblickte die vier strahlend hellen Sterne, die das

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