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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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    McIntyre schlug mit der Handfläche auf den Tisch. »Ann wird nichts dergleichen tun! Und du auch nicht!«  
    Das Mädchen stand in der Stube, den Kopf gesenkt, und rührte sich nicht.  
    »Ihr … Ihr könnt mir nicht verbieten, zu Elizabeth zu fahren!«  
    »Wer ist Elizabeth?«  
    »Mrs Macarthur. Sie schätzt meine Gesellschaft. Im Gegensatz zu Euch.«  
    »Woher kennst du Mrs Macarthur?«  
    Moira warf den Kopf in den Nacken, obwohl sie ihr Herzklopfen bis in den Hals spüren konnte. Aber sie hatte nicht vor, sich einschüchtern zu lassen. »Ich habe sie besucht. Gestern. Als Ihr in Sydney wart.«  
    McIntyre funkelte sie aus tiefliegenden Augen an und erhob sich. »Du warst allein mit der Kutsche unterwegs? Ohne meine Einwilligung?«  
    Moira schluckte. »Ich war nicht allein. Ich habe Ann mitgenommen.«  
    Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Moira hätte nicht erwartet, dass er sich so schnell bewegen konnte.  
    »Habe ich dir nicht verboten, so etwas zu tun? Da draußen ist es gefährlich!« Seine Hand schnellte vor und traf ihre Wange. Moira schrie auf, mehr vor Zorn als vor Schmerz, ihr Gesicht brannte. »Du wirst mir gehorchen, hast du das verstanden?«  
    »Ihr seid widerlich!« Moira sprang auf und stürmte hinaus, vorbei an der verschüchterten Ann, die in eine Ecke der Stube gewichen war.  
    »Bleib hier!« McIntyres Stimme schallte hinter ihr her, aber sie hörte nicht auf ihn.  
    Er hatte sie geschlagen! Wie konnte er nur so gemein, so kaltherzig sein? Sie musste weg von hier, fort von diesem Unhold, mit dem man sie verheiratet hatte, der ihr jede Freude missgönnte und der sie jetzt auch noch schlug! Nie wieder würde sie hierher zurückkommen, nie wieder konnte sie mit so einem Menschen unter einem Dach leben!  
    Tränenblind eilte sie über die Straße und immer weiter, vorbei an den Häusern der Nachbarn, den einfachen Flechthütten der Aufseher und den Lagerhäusern. Wo das mühsam der Natur abgetrotzte Stück Zivilisation endete, begann die ursprüngliche Wildnis des Buschs. Der Herbst war nah, doch noch war davon nichts zu spüren. Die Luft flirrte, es sah aus, als brenne der Boden. Es roch nach reifen Früchten, Eukalyptus und dem betäubenden Duft sommerwarmer Blätter, die schwüle Hitze ließ Moira kaum richtig atmen. Keuchend riss sie an ihrer Haube, ließ sie achtlos zu Boden fallen und zerrte an ihrem Ausschnitt. Ein warmer Windhauch traf auf ihre erhitzte Haut.  
    Im nächsten Moment fuhr sie mit einem Aufschrei zurück. Wie ein dunkler Geist erschien plötzlich ein Eingeborener vor ihr, nackt und mit einem Speer bewaffnet. Er stand reglos neben der Straße, ein Bein auf der Erde, das andere mit der Fußsohle am Oberschenkel abgestützt, und blickte sie schweigend an. Feindselig. Von seiner lackschwarzen Haut hoben sich furchterregende, gewölbte Narben ab. Moira hatte von einem Eingeborenenstamm gehört, der die Siedlungen der Weißen überfiel und Frauen und Kinder tötete. War das einer dieser Krieger?  
    Kopflos bog sie nach links ab und raffte mit beiden Händen ihr langes Kleid, um besser laufen zu können. Sie blickte sich nicht um, sah nicht nach, ob der unheimliche Schwarze ihr folgte, hetzte einfach immer nur weiter, weg von der Straße, hinein in den Busch. Sie sah kaum, wohin sie lief, ihre Beine flogen wie von selbst über den trockenen Waldboden. Ranken zerrten an ihrem Rock, unter dem leichten Korsett klebte ihr das Hemd am Leib, Zweige streiften ihre nackten Arme.  
    Die Bäume standen hier nicht allzu dicht. Von manchen der schlanken Stämme hing die Rinde in langen Streifen herab, als hätte man sie ihrer Kleidung beraubt, das helle Holz darunter lag schutzlos. Die Sonne warf ein flirrendes Lichtspiel auf den farnbedeckten Boden.  
    Ihre Füße jagten über den Untergrund, sie hörte ihren eigenen, keuchenden Atem. War er ihr gefolgt?  
    Für einen winzigen Moment wagte sie es, sich umzudrehen. Sie sah den Mann nicht mehr, aber das hatte nichts zu bedeuten. Diese Wilden konnten urplötzlich aus dem Unterholz auftauchen und wieder verschwinden.  
    Ein harter Gegenstand kam ihr zwischen die Füße, sie stolperte, versuchte, sich mit den Händen abzufangen, fand aber keinen Halt und schlug mit einem Aufschrei der Länge nach hin.  
    Für einige Augenblicke lag sie benommen da, dann wälzte sie sich auf den Rücken. Ihr Herz raste, ihr Atem ging schwer. Weit über sich sah sie die hohen Baumkronen in einen wolkenlosen Himmel ragen, ein Schwarm

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