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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Versammlungen genutzt wurde, lag eine angespannte Stille, und bei den Verwaltungsgebäuden sah sie die rot-weißen Uniformen der Soldaten des New South Wales Corps. Der Boden unter dem Baum, an dem man die Sträflinge öffentlich züchtigte, war blutgetränkt, der Geruch von Blut und Schweiß hing in der Luft. Ihr Magen zog sich zusammen. Duncan …  
    Sie hielt einen Soldaten an, der soeben aus einem der Gebäude kam. »Sir, könnt Ihr mir sagen, was hier vorgefallen ist?«  
    Der Mann musterte sie und kam offenbar zu dem Schluss, dass sie vertrauenswürdig war. »Man hat in letzter Minute einen Aufstand verhindert, Madam. Einige Sträflinge wurden ausgepeitscht. Der Major hat eine Überprüfung angeordnet.«  
    »Der Major?« Ihr Magen war ein eisiger Kloß. »Meint Ihr Major Penrith?«  
    »So ist es, Madam.« Der Soldat grüßte kurz und ging davon.  
    Sie wartete, bis er um eine Ecke verschwunden war, dann lenkte sie ihre Schritte in Richtung Kutschenhaus. Sie zwang sich dazu, nicht zu laufen, auch wenn ihr Herz vor Angst hart gegen ihre Rippen klopfte. Duncan. Hoffentlich war ihm nichts zugestoßen, hoffentlich hatte der Major ihn nicht gesehen, hoffentlich …  
    Das Kutschenhaus war leer. Weder Tier noch Mensch war anwesend. Doch über den Ausdünstungen von Pferd und Stall lag noch etwas anderes. Ein Geruch nach Fleisch und Rauch, der ihr plötzlich Übelkeit verursachte.  
    In einer der vorderen Unterstände summte es leise. Fliegen? Lag dort etwa eine Leiche …?  
    Langsam trat sie näher, bereitete sich auf den Anblick vor, um nicht aufzuschreien.  
    Ein Schwarm Fliegen stob auf, als sie näher trat. Zwischen Zaumzeug und Striegeln hing – ein halber Schinken. Keine Leiche. Für einen Moment fühlte sie sich so schwach, dass sie fast umgefallen wäre und sich an der Wand festhalten musste.  
    Nach dem ersten Schock der Erleichterung begannen ihre Gedanken zu rasen.  
    Was hatte ein Schinken hier zu suchen? Hier, bei Duncan im Kutschenhaus? Hatte er ihn hier versteckt? Was hatte er damit vor? Plante er eine Flucht und sammelte Verpflegung? Aber hatte er nicht gesagt, er würde nicht weglaufen wollen? Oder hing es mit dem vereitelten Aufstand zusammen, von dem der Soldat erzählt hatte? Dann schüttelte sie den Kopf. So dumm, einen Schinken ausgerechnet hier aufzuhängen, wo ihn jeder sofort entdecken würde, wäre wohl kaum jemand. Am allerwenigsten Duncan.  
    Sie sah sich das Fleisch genauer an. Ein solches Stück Schinken hing auch in ihrer eigenen Speisekammer. Nein, es war genau dieser Schinken!  
    Moira zögerte nicht länger. Für Fragen war später noch Zeit, jetzt war Handeln gefragt. Niemand durfte diesen Schinken hier, bei Duncan, entdecken.  
    Kurzentschlossen holte sie einen kleinen Schemel, der ganz in der Nähe stand, und nahm das geräucherte Fleisch vom Haken.  
    Sie war kaum aus dem Kutschenhaus getreten, als ihr Herz zum dritten Mal an diesem Tag wild zu schlagen begann. Der Major! Er kam mit McIntyre und Ann – wirklich Ann? – direkt auf sie zu. Moira atmete tief durch. Jetzt bloß keine Panik! Sie packte den Schinken fester und ging hocherhobenen Hauptes weiter.  
    »Mrs McIntyre, welch unverhofftes Vergnügen!« Der Major blieb stehen und musterte den Schinken. »Und welch ungewöhnliches Gepäck.«  
    »Das ist unser Abendessen«, würgte Moira mühsam hervor. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. »Aus … Sydney.«  
    »Tatsächlich? Hoffentlich habt Ihr ihn zu einem guten Preis bekommen.«  
    »Das habe ich«, erklärte Moira kühl. Allmählich fühlte sie sich wieder sicherer. Ihr Blick fiel auf Ann, die abwechselnd rot und blass wurde. Sie sah aus, als wäre sie krank. »Ist dir nicht gut?«  
    Ann schreckte auf. »Nein, Ma’am, alles in Ordnung«, flüsterte sie und schaute zu Boden.  
    Was ging hier vor? Selbst McIntyre wirkte beunruhigt.  
    Der Major blickte über ihren Kopf hinweg. »Ich sehe, Ihr seid in Eile, genau wie wir. Lasst Euch nicht aufhalten, Mrs McIntyre.«  
    Moira sah dem seltsamen Dreiergespann nach, wie es in Richtung Kutschenhaus verschwand. Das war gerade noch gutgegangen. Sie fasste das Fleisch fester und eilte, so schnell es der Anstand erlaubte, zurück ins Wohnhaus.  
    Der Haken in der Speisekammer war leer. Sie hängte den Schinken auf und ging in die Wohnstube. Wo war Duncan?  
    Das Haus atmete noch die Gegenwart des Majors, sie konnte sein würziges Rasierwasser riechen. Auf dem Tisch in der Stube stand ein benutztes

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