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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Becher sinken und beobachtete den Doktor, der am Schreibtisch saß und bereits wieder eifrig schrieb – Versuchsberichte und Überlegungen, gespickt mit kleinen Zeichnungen. Duncan wurde nicht schlau aus seinem Dienstherrn. Er schätzte McIntyres Hingabe an seine Sache, aber manchmal hatte er den Eindruck, der Doktor würde ihn öfter zu sich rufen, als nötig wäre.  
    »Wo setze ich die Biegung an?«, murmelte McIntyre.  
    Duncan war sich nicht sicher, ob der Doktor mit ihm sprach oder nur Selbstgespräche führte. Er stellte den Becher auf die Fensterbank und erhob sich. »Sir?«  
    »Ja, ja.« McIntyre winkte mit der Feder. »Du kannst gehen.«  
    Duncan blieb stehen. »Sir, darf ich Euch etwas fragen?«  
    McIntyre hob kaum den Kopf. »Worum geht es? Einen freien Tag?«  
    Duncan zögerte. Von dieser Frage hing so viel ab. »Sir, ich … seid Ihr mit mir zufrieden? Und mit meiner Arbeit?«  
    Jetzt legte McIntyre die Feder weg und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen hinter der Brille an. Der Ausdruck auf seinem Gesicht spiegelte abwartendes Misstrauen. »Wieso willst du das wissen?«  
    Duncan gab sich einen Ruck. »Wisst Ihr noch, was Ihr mir versprochen habt?«  
    »Ich habe dir etwas versprochen?«  
    »Sir, Ihr habt mir zugesichert, Euch für meine Begnadigung einzusetzen.«  
    »Ach, das. Und?«  
    »Habt Ihr schon etwas erreicht?«  
    McIntyre verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist gerade mal ein paar Monate hier, O’Sullivan. Als ich davon sprach, meinte ich nicht, dass es so schnell gehen würde.«  
    Duncan hatte Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. »Dann habt Ihr dem Gouverneur noch nicht geschrieben? Oder mit ihm gesprochen?«  
    »Wie stellst du dir das vor? Ich kann nicht einfach so beim Gouverneur vorsprechen und um deine Begnadigung bitten. Abgesehen davon kann ich dich im Moment unmöglich gehen lassen. Nicht jetzt, wo ich kurz vor dem Durchbruch stehe.« McIntyre nahm die Arme wieder herunter. »Und was willst du denn mit deiner Freiheit? Du hast kein Geld und keine Heimat. Du solltest froh sein, dass du hier bei uns leben darfst. – Wir werden demnächst nach Sydney reisen. Ich möchte einigen Leuten meine Erfindung vorstellen. Und du wirst mitkommen. Dafür bekommst du dann zwei freie Tage und eine Extraportion Rum. Na, was hältst du davon?«  
    »Sir«, sagte Duncan mühsam beherrscht, »es wäre mir lieber, wenn Ihr Euch um meine Begnadigung bemühen würdet. So, wie Ihr es versprochen habt.«  
    McIntyres Miene gefror zu Eis. »Wie redest du mit mir? Wenn ich wollte, könnte ich dich dafür auspeitschen lassen!«  
    Für einen endlos langen Moment starrten sie sich schweigend an. Duncan schluckte schwer an der Wut und den Worten, die sich in seiner Kehle stauten. »Wie lange?«, würgte er schließlich hervor. »Wie lange muss ich noch warten?«  
    McIntyres angespannte Haltung fiel in sich zusammen. Er hob die Schultern, nahm die Feder und tauchte sie erneut ins Tintenfass. Seine Hand zitterte leicht. »Das kann ich dir nicht sagen. Ein paar Monate, vielleicht auch ein paar Jahre. So, und jetzt geh und schirr das Pferd an, ich muss gleich ins Lazarett.«  
    *  
    Vor seinem endgültigen Aufbruch machte Alistair noch kurz halt bei einem Nachbarn wegen eines Krankenbesuchs. Als er danach erneut auf den Kutschbock stieg, regnete es in Strömen. Das war ja zu erwarten gewesen. Immer traf es ihn, bei diesem grässlichen Wetter nach Parramatta fahren zu müssen. Die Arbeit im dortigen Lazarett gehörte nicht eben zu seinen Lieblingsaufgaben, aber sie war nun einmal Teil seines Dienstvertrags. Alle drei bis vier Tage hatte er einige Stunden dort zu arbeiten. Verlorene Zeit, wie er fand. Wie viel lieber würde er jetzt in seinem Studierzimmer sitzen und sich seinen Forschungen widmen. Er zog den Kopf ein, als eine Regenbö über ihn hinwegzog, gab dem Pferd die Zügel und ließ seine Gedanken schweifen.  
    Auf eine geschliffene Linse würde er wohl weiter warten müssen. Nachdem Major Penrith ausgesprochen ungehalten gewesen war, als er das Kutschenhaus schon zum zweiten Mal hatte verlassen müssen, ohne etwas zu finden, hatte Alistair nicht mehr gewagt, ihn darum zu bitten.  
    Als Nächstes würde er O’Sullivan damit beauftragen, ein weiteres Rohr herzustellen. Eines, das an seinem unteren Ende ganz leicht abgeknickt war, um die natürliche Biegung der Speiseröhre zu überwinden. Dann würde man vielleicht auch ohne Linse mehr erkennen können als

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