Das Lied der Sirenen
sein könnte. Ich mußte meinem Zorn Zügel anlegen, mußte ihn in kreative Bahnen lenken und für meine Zwecke ausnutzen. Ich zwang mich also, ihn in konstruktive Überlegungen zu kanalisieren. Akribisch bis ins kleinste Detail plante ich, wie ich Dr.Hill in meine Gewalt bringen und was ich mit ihm anstellen würde, wenn ich ihn erst einmal in meinem Keller hatte. Ich würde ihn unter Spannung setzen – buchstäblich.
Squassatio
und
strappado
– die spanischen Inquisitoren verstanden es vortrefflich, aus den gegebenen Möglichkeiten das Beste zu machen. Sie spannten die stärkste aller Kräfte auf dieser Erde für ihre Zwecke ein – die Schwerkraft. Man braucht dazu nichts als eine Winde, einen Flaschenzug, ein paar Seile und einen schweren Stein. Man fesselt die Hände des Opfers auf dem Rücken und führt von dieser Fessel ein Seil zu einem Flaschenzug an der Decke. Anschließend befestigt man den schweren Stein an seinen Füßen.
In seinem Buch
Die schrecklichen Grausamkeiten der Inquisition
aus dem Jahre 1770 beschreibt John Marchant diese wirkungsvolle Foltermethode äußerst eloquent: »Dann wird er hochgezogen, bis sein Kopf an den Flaschenzug anstößt. Er wird einige Zeit in dieser hängenden Position festgehalten, wobei durch das Gewicht an seinen Füßen alle seine Gelenke und Glieder aufs schlimmste gestreckt werden, sodann wird er mit einem Ruck durch ein Nachgeben am Seil heruntergelassen, jedoch nicht ganz bis auf den Boden, und infolge dieses entsetzlichen Rucks werden seine Arme und Beine aus den Gelenken gerissen, wodurch er schlimmste Qualen erleidet; der Aufprall, dem er durch das plötzliche Abbremsen seines Falls ausgesetzt ist, sowie die Zugkraft des Gewichts an seinen Füßen zerreißen seinen ganzen Körper auf eine äußerst wirkungsvolle und grausame Weise.«
Die Deutschen fügten eine Verfeinerung hinzu, die mir gut gefiel. Hinter dem Rücken des Opfers installierten sie mit Eisendornen versehene Rollen, die beim plötzlichen Fall tief in das Fleisch des Rückens einschnitten und bewirkten, daß der Körper nach der Prozedur als zerfetzte, blutige Masse zurückblieb. Ich plante, diesen Effekt ebenfalls einzubauen, aber selbst nach vielerlei Manipulationen am Layout im Computer kam kein Design zustande, das reibungsloses Funktionieren versprach und mich befriedigt hätte, es sei denn, ich würde seine Hände vor dem Körper fesseln, was jedoch die Methode der
squassatio
und
strappado
verfälscht und weitaus weniger effizient gemacht hätte.
Während ich plante und konstruierte, zog ich mein Netz immer enger um Dr.Hill. Er meinte, er könne sich in mein Gehirn einschleichen, aber es war genau umgekehrt.
Ich konnte es kaum erwarten, endlich loszulegen. Ich zählte schon die Stunden.
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16
»Und nun, verehrte Miß R., nehmen wir einmal an, ich würde zu mitternächtlicher Stunde vor Ihrem Bette erscheinen, in der Hand ein großes Tranchiermesser – was würden Sie dann sagen?« Woraufhin das vertrauensselige Mädchen geantwortet hatte: »Oh, Mr.Williams, wenn es jemand anders wäre, würde ich mich fürchten. Sobald ich jedoch Ihre Stimme hörte, wäre ich ganz beruhigt.« Arme junge Frau; wäre diese skizzenhafte Darstellung des Mr.Williams wahrhaft in ihr Bewußtsein gedrungen, dann hätte sie etwas in diesem leichenhaften Gesicht gesehen und in dieser unheilvollen Stimme gehört, das ihre Ruhe für immer erschüttert hätte.
A ls das Telefon klingelte, war Carols erste Reaktion purer Zorn. Zehn nach acht am Sonntagmorgen, das konnte nur dienstlich sein. Sie streckte sich und stieß ein wütendes Fauchen aus, das Nelson veranlaßte, die Ohren aufzustellen. Dann schob sie den Arm unter der Decke hervor, tastete nach dem Telefon auf dem Nachttisch, fand den Hörer, hob ab und knurrte »Jordan!« in die Sprechmuschel.
»Dies ist Ihr morgendlicher Weckruf.« Die Stimme ist bei weitem zu fröhlich, dachte Carol, noch ehe sie den Anrufer identifizierte.
»Kevin«, warnte sie, »wehe, du weckst mich nicht mit einer guten Nachricht!«
»Sie ist besser als gut. Oder was würdest du sagen, wenn wir einen Zeugen gefunden hätten, der den Killer aus Damien Connollys Haus fahren sah?«
»Sag das noch mal«, murmelte sie, und Kevin wiederholte es. Seine Stimme katapultierte sie bei dieser Bestätigung in eine sitzende Position auf der Bettkante. »Wann?« fragte sie aufgeregt.
»Der Typ marschierte gestern nacht bei uns rein. Er war geschäftlich im Ausland. Brandon hat ihn
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