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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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wird.«
    Johnston blickte erneut zu ihr. »Das denke ich auch.«
    Marie versagte sich weiteren Protest. Nicht einmal die Flucht aus diesem Laden würde sie davor bewahren, dass der Treckchief ihr dieses Geschenk machte. Wohl oder übel würde sie es annehmen, aber nur als Lohn für ihre Dolmetscherarbeit.
    Als sie den Laden wenig später verließen, drückte Johnston ihr die kleine, mit Seidenpapier bezogene Schachtel in die Hand.
    »Das hätten Sie nicht tun müssen.«
    »Ich weiß«, entgegnete Johnston unbeirrt. »Aber ich wollte es tun. Wissen Sie, ich habe schon einige Frauen auf Trecks begleitet, aber nur wenige waren so bescheiden wie Sie. Nach dem, was hinter Ihnen liegt, sollten Sie mit etwas Schönem ins neue Leben starten. Ich bin sicher, dass Sie mit diesem Band das Herz Ihres Verlobten im Sturm erobern werden.«
    Als Marie protestieren wollte, dass sie derlei nicht nötig hatte, setzte er hinzu: »Machen wir uns nichts vor: Viele Mädchen werden am Ende der Reise eine Enttäuschung erleben. Entweder sind die Männer inzwischen verarmt, tot oder ganz und gar nicht das, was sie sich vorgestellt haben. Sie können sicher sein, dass ich Ihnen alles Glück dieser Welt wünsche, doch wenn Ihr Mann nicht das sein sollte, was Sie sich vorgestellt haben, so haben Sie wenigstens etwas Schönes, an das Sie sich halten können. Etwas, von dem Sie sagen können, dass es ein guter Beginn des neuen Lebens war. Und vielleicht …« Er machte eine kurze Pause und sah sie dabei eindringlich an. »Vielleicht erinnern Sie sich auch an mich.«
    Auf dem Rückweg zum Treck schwiegen sie die meiste Zeit. Maries Gedanken kreisten um das, was vor ihr lag; außerdem versuchte sie angestrengt, in Johnstons Nähe nichts zu empfinden, was doch unmöglich war. Sie mochte ihn, sogar sehr, und unter anderen Umständen hätte sie diesen Gefühlen Gelegenheit gegeben, sich zu entfalten. Aber sie war für ein anderes Leben bestimmt.
    »Mr Johnston.« Als die Wagen in Sicht kamen, blieb sie stehen.
    »Ja, Miss Blumfeld?«
    »Ich habe eine Frage an Sie. Eine sehr persönliche.«
    Was mache ich hier eigentlich?, fragte sie sich, doch da hörte sie Johnston bereits sagen: »Schießen Sie los!«
    »Haben Sie eigentlich eine Frau, Mr Johnston?« Kaum hatte sie die Frage gestellt, schoss ihr auch schon das Blut in die Wangen. Sie hätte sich ohrfeigen können, doch jetzt war es zu spät.
    »Nein«, antwortete er mit einem hintergründigen Lächeln. »Und ich glaube auch nicht, dass ich so bald eine finden werde. Mein Job ist ziemlich gefährlich, es wäre verantwortungslos, eine Frau der Gefahr auszusetzen, schon nach kurzer Zeit Witwe zu werden.«
    »Aber bisher war die Reise doch recht ruhig.«
    »Wir mögen Glück haben, aber nicht alle Trecks gehen so friedlich vonstatten. Dies ist ein raues, wildes Land, Miss Blumfeld. Menschen, die sich der Zivilisation entziehen und beschließen, da draußen ihr Glück zu suchen, geraten nicht selten auf Abwege. Gelöst von allen Banden werden sie entweder aus Hunger zu Banditen oder aus Gier. Wir reisen nicht umsonst so schwer bewaffnet durchs Land. Solange wir unterwegs sind, laufen wir Gefahr, überfallen zu werden, und Sie können mir glauben, dass ich mich mit Freuden einer Kugel in den Weg werfen werde, die Sie oder eine der anderen Frauen bedroht.«
    Marie schwieg beeindruckt. Ein Mann, der sich für das Glück anderer aufopfert, die ihn schlimmstenfalls für seinen Job gering schätzen.
    Als Johnston auflachte, verschwand das beklommene Schweigen zwischen ihnen. »Keine Sorge, Miss, ich werde schon noch heiraten, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. In ein paar Jahren bin ich zu alt, um mich noch in Gefahr zu begeben. Dann werde ich mir eine Frau suchen, wenn möglich ein paar Kinder zeugen und mir eine Farm zulegen. Aber jetzt sollten wir wirklich zu den Wagen zurück, bevor meine Leute noch denken, dass ich das bereits getan habe.«
    An den Wagen angekommen, verabschiedeten sie sich knapp. Marie bedankte sich noch einmal für das Haarband, ließ es aber, als Angus ihr den Rücken kehrte, in ihrem Rockbund verschwinden. Sie wollte Ellas Vermutungen nicht noch Nahrung geben.
    Als sie feststellte, dass die anderen noch nicht zurück waren, verstaute sie das Band in der Tasche und wusste dabei nicht, was sie mehr schmerzte: die Aussicht, dass Johnston irgendwann einmal bei einem Überfall umkommen könnte – oder die Tatsache, dass er nicht einmal angedeutet hatte, Gefühle für sie zu hegen, die

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