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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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auf einmal recht angespannt wirkte.
    James atmete tief durch. »Vor Mrs Blake sollten Sie sich vorsehen. Ich hoffe, Sie haben höflich und unverbindlich geantwortet.«
    Marie nickte. »Ja, ich habe mich für ihren Rat bedankt, obwohl ich ihr gern gründlich den Kopf gewaschen hätte. Ihre Ansichten über die Cree sind vollkommen falsch, und sie verlangt von mir, dass ich den Kindern etwas Falsches beibringe. Dabei habe ich mit eigenen Augen gesehen, dass die Indianer anständige Menschen sind.«
    »Da bin ich Ihrer Meinung, Miss Blumfeld. Dennoch sollten Sie hier in Selkirk mit diesem Thema sehr vorsichtig sein. Sehr viele Menschen hatten noch nicht persönlich mit den Indianern zu tun; nach den Spannungen der vergangenen Jahre meiden sie sie und glauben alles Schlechte, was über sie verbreitet wird. Jemand, der auf der Seite der Indianer ist, wird bestenfalls als schwachsinnig, schlimmstenfalls aber als gefährlich eingestuft.«
    »Gefährlich? Ich habe den Kindern lediglich von meinem Aufenthalt bei den Cree erzählt, vollkommen sachlich und ohne etwas zu beschönigen. Leider habe ich nichts Negatives dort erlebt, was Mrs Blake gefallen könnte.«
    Marie ließ ihr Besteck sinken und blickte auf den Teller. Es widerstrebte ihr, den Abend zu ruinieren. James und Allison waren so freundlich zu ihr, sie wollte sie nicht vor den Kopf stoßen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich nicht davon angefangen hätte, dachte sie verzweifelt.
    »Wir sollten das Thema wechseln«, bemerkte sie ein wenig kleinlaut, dann spürte sie Allisons Hand auf ihrer.
    »Nein, das sollten wir nicht«, entgegnete sie sanft. »Sie haben recht, es steht den Menschen hier nicht zu, über andere Menschen zu richten, denen sie noch nie begegnet sind. James und ich sind nur der Meinung, dass Sie vorsichtig sein sollten. Mr Corrigan kann, was die Indianer angeht, furchtbar unangenehm werden.« Allison blickte kurz zu ihrem Mann, der ihr zunickte. »Er plant, die Eisenbahn in unsere Region zu holen. Leider führt diese Strecke durch Indianerland. Das werden die Cree natürlich nicht aufgeben wollen, nachdem man sie schon aus ihren angestammten Jagdgründen vertrieben hat.«
    Diese Nachricht erschreckte Marie zutiefst. »Wie weit sind die Pläne schon gediehen?«
    »Sehr weit, glaube ich. Die vor einem Jahr gegründete Canadian Railway Company baut die Strecke bereits; in einem Jahr könnte die Trasse unser Gebiet erreichen. Natürlich ist die Eisenbahn sehr wichtig für uns, sie wird unsere Stadt an die Zivilisation anschließen und ihr noch mehr Leben bringen. Das wünschen sich hier alle aus tiefstem Herzen.«
    »Aber an die Indianer denkt dabei niemand, nicht wahr?«
    »Bedauerlicherweise nicht. Dabei könnte man ihnen das Stahlross damit schmackhaft machen, dass auch sie es leichter hätten, in unsere Städte zu kommen. Aber abgesehen davon, dass viele Menschen hier nicht mit Cree in einem Waggon sitzen wollen, würden auch sie den Kontakt nicht wollen, nehme ich an, weil sie fürchten, dadurch ihre angestammten Sitten und Gebräuche zu verlieren.«
    »Sie scheinen sich wirklich besser auszukennen als die meisten hier«, gab Marie bewundernd zu, denn genauso, wie er es schilderte, hatte auch sie empfunden, als sie die Kultur der Cree kennenlernte.
    Ein Jahr klang noch ziemlich weit weg, doch Marie wusste, wie rasch die Monate dahinflogen, wenn es viel zu tun gab. »Und was will die Eisenbahngesellschaft machen, wenn die Cree nicht bereit sind, sie auf ihrem Grund bauen zu lassen?«
    »Die Eisenbahngesellschaft wird sich einen anderen Weg suchen müssen, oder …« Das Oder schwebte deutlich in der Luft. Isbel sah vielsagend zu seiner Frau. »Voraussetzung dafür, dass die Eisenbahngesellschaft in Erwägung zieht, Selkirk anzuschließen, wird die Garantie sein, dass es hier keine Probleme mit den Indianern gibt. Mr Corrigan wird sicher alles tun, um den Herren von der Gesellschaft dieses Versprechen zu geben.«
    Marie wollte sich besser nicht vorstellen, wie das aussehen würde. Auf einmal hatte sie wieder die Kriegsversehrten aus ihrem Heimatdorf vor ihrem geistigen Auge.
    »Was Sie angeht, sparen Sie das Thema Indianer in Ihrem Unterricht am besten aus und halten mit Ihrer Meinung zumindest den Leuten gegenüber hinter dem Berg, von denen Sie wissen, dass sie indianerfeindlich sind«, riet ihr Isbel. »Uns gegenüber können Sie immer offen sein, denn Sie werden in diesem Haushalt nie erleben, dass wir einen Menschen wegen seiner Herkunft

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