Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)
Bewusstsein verlor.
»Ein Arzt!«, rief Marie panisch, während ihr das Blut aus der Platzwunde des Mannes über die Hand lief. »Nun holen Sie doch schon einen Arzt!«
Es dauerte eine Weile, bis sich einer der Schaulustigen erbarmte. Die anderen schienen viel mehr an der Frage interessiert zu sein, wie viel Blut noch aus dem Geschundenen fließen würde.
»Na sieh mal einer an, die kleine Lehrerin!«, sagte irgendwer in der Menge. »Hat Courage wie ein Kerl!« Gelächter folgte.
Marie wirbelte zornig herum, konnte den Urheber dieser Worte in der Menge allerdings nicht ausmachen. Als Philipp aufstöhnte, blickte sie wieder zu ihm. »Es wird alles gut, Mr Carter, Hilfe ist schon auf dem Weg.«
»Danke, dass Sie mir geholfen haben«, nuschelte er.
»Bleiben Sie liegen und reden Sie nicht!« Marie legte beruhigend die Hand auf seine Brust, wobei sie seinen Herzschlag spürte. Obwohl er recht kräftig war, machte sie sich Sorgen um ihn.
Nach schier endlos anmutenden Augenblicken drängte sich ein Mann im schwarzen Gehrock durch die Menge.
»Ich bin Dr. Duval«, erklärte er mit recht deutlichem französischem Akzent, während er seine Tasche öffnete.
»Der Mann hier ist verprügelt worden. Sein Name ist Philipp Carter.«
»Sie kennen ihn?«
Marie nickte. »Er hat mich zusammen mit ein paar anderen Händlern in die Stadt gebracht.«
»Pelzhändler meinen Sie?«
»Ja.«
Der Arzt nickte kurz, dann sagte er: »Dann wäre es vielleicht gut, wenn Sie mitkommen und seine Hand halten. Ich werde seine Wunden nähen müssen. Und wer weiß, was sonst noch alles zu Bruch gegangen ist.«
Als Marie nickte, wandte er sich den Umstehenden zu. »Wäre es zu viel verlangt, wenn zwei oder drei von Ihnen den armen Teufel in meine Praxis bringen?«
Nur widerwillig lösten sich zwei Männer aus der Menge. Marie erkannte jene, die aus dem Pub gestürmt waren, um sie vor einem Angriff zu schützen. Wo der Schläger abgeblieben war, wusste sie nicht, aber sie bezweifelte, dass er einfach so nach Hause gegangen war.
Die beiden Freiwilligen luden Philipp auf einen Karren, der neben dem Pub stand, und folgten mit ihm dem Doktor, der kopfschüttelnd Unverständliches vor sich hin brummte.
An seinem Haus in der Plum Street angekommen, luden die Männer Philipp ab und trugen ihn ins Sprechzimmer. Marie blieb mit revoltierendem Magen an der Tür stehen.
»Kommen Sie, Mademoiselle, nur keine falsche Scheu!«
Duval winkte ihr zu und bedankte sich dann bei den beiden Trägern.
Als sie an die Krankenliege trat, war Philipp immer noch bewusstlos. Das teilweise schon geronnene Blut machte seinen Anblick noch furchterregender.
»Keine Sorge, das sieht schlimmer aus, als es ist«, erklärte der Mediziner, während er seine Ärmel aufkrempelte und die Hände tief in die Karbollösung tauchte, die in einer Schüssel bereitstand. »Sobald das Blut abgewaschen ist, wird er einen besseren Anblick abgeben.«
Als der Doktor mit der Waschung begann, tastete sie nach Carters Hand. Ein wenig seltsam erschien es ihr schon, dass sie einen wildfremden Mann tröstete. Stella und ihre Bekannten hätten wahrscheinlich entsetzt die Hand vor den Mund geschlagen. Aber den Doktor schien es nicht zu stören. Während blutiges Wasser von dem Lappen troff, regte sich Philipp leicht.
»Ah, er wird wieder wach«, bemerkte der Arzt brummig.
»Das ist doch gut, oder?«, fragte Marie hoffnungsvoll.
»In unserem Fall ist es das nicht«, gab Duval zurück, als er den Lappen weglegte und zu seinem Medikamentenschrank eilte. »Wenn er Schmerzen hat, wird er nicht stillhalten. Das Ergebnis werden schiefe Narben sein, die meine Berufsehre ruinieren. Ah, da ist es.«
Duval schüttete ein paar Tropfen in ein Glas Wasser, das er ihr reichte. »Ich werde ihn festhalten, und Sie flößen ihm das Mittel ein.«
»Was ist das?« Skeptisch betrachtete Marie die milchige Flüssigkeit, von der ein seltsamer Geruch ausging.
»Laudanum. Nur ein paar Tropfen, damit er keine Schmerzen hat und stillhält.«
Als der Arzt Philipps Oberkörper ein wenig anhob, öffnete er benommen die Augen, doch offenbar erkannte er niemanden.
»Meinen Sie, dass er trinken kann?«, fragte Marie besorgt.
»Wir werden sehen. Geben Sie es ihm schnell, bevor er wieder das Bewusstsein verliert!«
Als Marie ihm das Glas an die Lippen setzte, war sie überrascht, wie gut Philipp sich das Wasser einflößen ließ. Duval legte ihn vorsichtig wieder auf die Bahre.
»Während wir warten, werde ich alles
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