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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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dem kleinen Thomas Nevell gehörte. »Mein Tommy erzählte so etwas.«
    »Ja, das stimmt. Gleich in der ersten Stunde habe ich meinen Schützlingen von meiner Heimat erzählt.«
    »Es heißt, dass Sie immer noch einen Kaiser hätten«, warf Mrs Brooke mit glänzenden Augen ein. Wahrscheinlich träumte sie davon, irgendwann einmal einen europäischen Adeligen kennenzulernen.
    »Ja, das stimmt, einen Kaiser aus dem Hause Hohenzollern. Aber dennoch gibt es ein Parlament, so wie hier. Und der Kaiser läuft auch nicht in goldenen Gewändern wie im Märchen herum, sondern in Anzügen, die auch Ihren Kongressabgeordneten gut stehen würden.«
    Die Damen lachten auf. Das Eis schien nun endgültig gebrochen zu sein.
    »Moira sagte auch, dass Sie den Kindern von den Indianern erzählt haben.«
    Marie zog fragend die Augenbrauen hoch. Irrte sie sich, oder hörte sie einen drohenden Unterton in der Stimme von Mrs Blake? Die Frau hatte bislang geschwiegen und sie lediglich genau gemustert.
    »Ja, das habe ich. Während der Reise hierher hatte ich das Glück, sie kennenzulernen.«
    »Glück?«, platzte Mrs Blake heraus. »Ich denke, Ihr Treck ist überfallen worden!«
    Da außer Isbel nur Stella, Rose und Jeremy von dem Überfall wussten, musste sie mit irgendeinem von ihnen gesprochen haben. Mit Stella, vermutete Marie, dann antwortete sie: »Der Überfall war natürlich ein ziemlich großes Unglück, aber es waren nicht die Cree, die uns überfallen haben. Wenn sie mich nicht gefunden hätten, wäre ich wahrscheinlich nicht hier.«
    Mrs Blakes feindselige Miene änderte sich nicht. Auf einmal schien es im Klassenzimmer merklich kälter zu werden. »Nun, vielleicht kann man es Glück nennen, dass Sie nicht von einem dieser Wilden gezwungen wurden, ihn zu heiraten. Man hört wüste Geschichten über Frauen, die bei den Stämmen bleiben mussten und gezwungen wurden, ihre Bälger auszutragen.«
    Diese Worte lagen Marie wie ein Haufen Steine im Magen. Sie war zu erschrocken, um irgendwas dazu zu sagen.
    Wie konnten es diese Frauen wagen, von Menschen zu sprechen, die sie noch nie selbst gesehen hatten?
    »Ich versichere Ihnen, der Stamm, bei dem ich war, hat das nicht versucht«, entgegnete Marie unter Aufbietung ihrer gesamten Beherrschung. »Es handelte sich um sehr ehrenhafte Menschen, die zwar einige sehr fremdartige Sitten haben, aber dennoch im Großen und Ganzen friedlich sind.«
    »Ehrenhaft, pah!«, setzte Mrs Blake ihre Tirade fort. »Unser Bürgermeister, Mr Corrigan, weiß da ganz andere Geschichten zu berichten. Wie ich schon sagte, Sie hatten wirklich großes Glück, und vielleicht sind Sie ja tatsächlich an ein paar edle Wilde geraten, aber Sie können mir glauben, die meisten sind es nicht. Von daher würde ich es begrüßen, wenn Sie unseren Kindern kein verfälschtes Bild über diese Menschen vermitteln würden. Bevor Sie dieses Thema erneut im Unterricht anschneiden, sollten Sie vielleicht Mr Corrigan aufsuchen und um Rat fragen. Er weiß viel über die Wilden und kann Ihnen die richtigen Hinweise geben.«
    Marie atmete tief durch. Sie zitterte am ganzen Leib und war sicher, dass die Frauen das mitbekamen, so prüfend, wie sie sie ins Visier nahmen.
    Mit allem hätte sie gerechnet, aber nicht mit so einer bodenlosen Frechheit. Kurz erwog sie, sich auf einen Streit einzulassen, doch sie wollte nicht, dass Isbel gezwungen wurde, sie zu entlassen.
    »Vielen Dank für den Ratschlag, Mrs Blake, wenn sich die Gelegenheit ergibt, werde ich natürlich mit Mr Corrigan sprechen.«
    Die Züge der Frau wurden ein wenig weicher. Wahrscheinlich hatte sie mit mehr Widerspruch gerechnet. Marie ahnte nun, dass sie ihr Wissen nicht von Isbel hatte. Vielmehr musste sie an Stella oder sogar an Sophia geraten sein.
    »Sehr gut, meine Liebe, ich wusste ja, dass man mit Ihnen reden kann. Reverend Plummer hat mit Ihnen wohl doch einen sehr guten Fang gemacht.«
    Nur halbherzig beteiligte sich Marie an dem weiteren Gespräch, denn sie hatte Mühe, ihre Beherrschung nicht zu verlieren. Irgendwann hatten die Frauen genug und verabschiedeten sich. Mit zuckersüßer Miene versprach Marie, sich auf ein Wiedersehen mit ihnen zu freuen, doch als die vier endlich gingen, blickte sie ihnen mit finsterer Miene nach. Repräsentierten diese Frauen die allgemeine Meinung in der Stadt? Wie viele gab es hier noch, die Lügengeschichten glaubten und die Cree für unzivilisierte, rohe Wilde hielten?
    »Na, wie ist Ihr Gespräch mit den Damen gelaufen?«,

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