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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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verachten.«
    Das glaubte Marie ihm aufs Wort. Doch würde er im Fall des Falles etwas gegen Corrigan unternehmen?
    »Ich versuche, mich daran zu halten, auch wenn es schwerfällt und die Cree meiner Meinung nach ein Teil dieses Landes sind, über den die Menschen Bescheid wissen sollten.«
    Als Isbel merkte, dass sie verstimmt klang, griff er nach ihrer Hand und drückte sie aufmunternd. »Sie werden sehen, eines Tages wird es möglich sein, so über sie zu sprechen, wie sie wirklich sind. Ich hege die Hoffnung, dass sich wenigstens einige junge Menschen hier nicht von ihren Eltern beeinflussen lassen und auf eigene Erfahrungen setzen. Nur so kann unsere Nation groß werden! Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg, auf dem wir uns leider Gottes mit Engstirnigkeit, Habgier und Intoleranz herumschlagen müssen. Das sollte Ihnen nicht den Mut nehmen, Miss Blumfeld – nur seien Sie bitte vorsichtig.«
    Obwohl der Abend bei den Isbels wirklich nett war, ging Marie mit dem Gefühl nach Hause, anstelle eines köstlichen Steaks Steine gegessen zu haben. Dass sie im Unterricht nicht frei über alles reden konnte, ärgerte sie, aber sie war auch vernünftig genug einzusehen, dass sie ihre Position nicht durch Starrsinn in Gefahr bringen durfte. Nur wenn diese grässlichen Frauen mit ihren scheußlichen Hüten die Leute hier nicht gegen sie aufbrachten, konnte sie weiter unterrichten. Und nur wenn sie unterrichten durfte, konnte sie versuchen, die Meinung der Menschen sanft zu ändern.
    Auf einmal krachte es!
    Marie schrie auf, sprang instinktiv zurück und blickte sich dann um. Erschrocken beobachtete sie, wie ein Mann mitten auf der Straße zu Boden ging, nachdem er aus der Tür des Pubs geflogen war. Sein blutüberströmtes Gesicht zeugte von einer kräftigen Tracht Prügel – oder Schlimmerem.
    »O mein Gott!«, murmelte Marie, als sie zu ihm lief. Doch bevor sie den Verletzten erreichte, stürmte ein weiterer Mann aus der Tür, der sich sogleich wieder auf den Mann stürzte und wütend auf ihn einschlug. Schneller, als Marie schauen konnte, zerrte er ihn an seinen Kleidern hoch und schleuderte ihn mit einem Fausthieb gegen den Gartenzaun des Hauses gegenüber. Unfähig, Halt zu finden, durchbrach er die Latten und blieb reglos im Garten liegen. Das reichte dem anderen aber noch nicht.
    Er wird ihn totschlagen!, durchzuckte es Marie. »Aufhören!«, schrie sie, während sie mit gerafften Röcken auf die beiden Streithähne zulief. »Lassen Sie den Mann in Ruhe, er hat genug!«
    Doch davon ließ sich der Schläger, der gut einen Kopf größer und wesentlich kräftiger war als sein Opfer, nicht abhalten. Als sich Marie ihm in den Weg stellte, stieß er sie grob beiseite. Marie stolperte, fing sich aber gleich wieder und marschierte dem Mann hinterher.
    Warum mischt sich niemand ein?, fragte sie sich verzweifelt. Sicher sind noch mehr Männer im Pub, warum lassen sie zu, dass hier jemand so schlimm verprügelt wird?
    »Hilfe!«, rief Marie, als sie die Gesichter am Fenster des Gasthauses erblickte. »So helfen Sie ihm doch!«
    Aber niemand rührte sich. Als sie sich verzweifelt nach Hilfe umsah, fiel Maries Blick auf einen Spaten, der an die Hauswand gelehnt war. Beherzt griff sie danach und zog ihn dem Angreifer, der erneut mit der Faust ausholte, über den Rücken.
    Als der Mann sich ihr mit einem Knurren zuwandte, wich Marie erschrocken zurück. Würde er so weit gehen, eine Frau zu schlagen?, fragte sie sich, während sie den Griff des Spatens fest umklammerte. Bevor der Mann auf sie losgehen konnte, stürmten nun doch ein paar Männer aus dem Pub, die sich sogleich auf den Tobenden warfen. Der Mann stieß einen Wutschrei aus, als er von dem Verletzten weggezerrt wurde. Marie ließ erleichtert den Spaten fallen und rannte zu dem Mann, der sich kaum noch regte.
    Da seine Gesichtszüge unter all dem Blut von Weitem nicht zu erkennen gewesen waren, erschrak Marie umso mehr, als sie erkannte, wer sich da so viel Ärger eingefangen hatte.
    »Mr Carter!« Maries Herz pochte jetzt noch heftiger.
    Sie ignorierte die Beschimpfungen des Schlägers, der immer noch von den Männern festgehalten wurde, zog ihr Taschentuch hervor und tupfte vorsichtig über das Gesicht des Verletzten. Unter der zarten Berührung zuckte der Mann zusammen und versuchte, die Augen zu öffnen.
    »Sie!«, presste er hervor. Sein Versuch, sich aufzurichten, wurde von plötzlicher Schwäche zunichtegemacht. Seufzend erschlaffte sein Körper, als er das

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