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Das Lied des Achill

Das Lied des Achill

Titel: Das Lied des Achill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeline Miller
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schleift Hektor hinter sich her.
    » Hokumoros «, ruft ihn die Mutter mit sanfter Stimme. So bald vom Schicksal Abberufener . »Willst du nichts essen?«
    »Nein.«
    Sie streckt eine Hand aus, als wollte sie das Blut von seiner Wange wischen.
    Er weicht zurück. »Lass das!«, sagt er.
    Ihre Miene erstarrt für einen Moment, was er jedoch nicht sieht. »Gib Hektors Leichnam seiner Familie, damit sie ihn bestatten kann. Du hast ihn getötet und Rache geübt. Das sollte dir genügen.«
    »Das wird es nie«, erwidert er.
    Zum ersten Mal seit meinem Tod findet er Schlaf.
    Achill. Ich kann es nicht ertragen, dass du trauerst.
    Seine Glieder zucken und beben.
    Gönn uns Ruhe und Frieden. Verbrenne meinen Leichnam. Ich werde in der Schattenwelt auf dich warten. Ich werde –
    Doch er ist schon aufgewacht. »Patroklos! Warte! Ich bin hier.«
    Er schüttelt meinen Leichnam. Weil ich nicht antworte, fängt er wieder zu weinen an.
    Im Morgengrauen schleift er Hektors Leiche um die Stadtmauer herum, damit es alle sehen. Gegen Mittag wiederholt er diesen Gang und auch am Abend. Er bemerkt nicht, dass die Griechen ihren Blick von ihm abwenden und missbilligen, was er tut.
    Thetis wartet auf ihn im Zelt, groß und aufrecht steht sie da.
    »Was willst du?« Er lässt Hektors Leiche fallen.
    Ihre Wangen sind fleckig und sehen aus wie mit Blut besprenkelter Marmor. »Du musst damit aufhören. Apoll zürnt. Er will dich bestrafen.«
    »Soll er doch.« Er lässt sich auf die Knie fallen und streicht mir die Haare aus der Stirn. Ich bin in Decken gewickelt, die den Verwesungsgeruch mildern.
    »Achill.« Sie tritt zu ihm und ergreift sein Kinn. »Hör mich an! Du gehst zu weit. Wenn du so weitermachst, werde ich dich nicht vor ihm schützen können.«
    Er wirft seinen Kopf zurück und faucht sie an. »Das brauchst du auch nicht.«
    Ihre Haut ist weißer als jemals zuvor. »Sei kein Narr. Einzig durch mich und meinen Einfluss –«
    »Was ändert das?«, fällt er ihr barsch ins Wort. »Er ist tot. Reicht dein Einfluss, ihn mir zurückzubringen?«
    »Nein«, antwortet sie.
    Er steht auf. »Glaubst du, ich sehe nicht, dass du frohlockst? Du hast ihn gehasst, all die Jahre über. Hättest du dich nicht in deinem Groll an Zeus gewandt, wäre er noch am Leben.«
    »Er ist ein Mensch und somit sterblich«, entgegnet sie.
    »Das bin ich auch!«, schreit er. »Wozu taugen Götter, wenn sie ihn nicht lebendig machen können? Wozu taugst du?«
    »Ja, du bist ein Sterblicher«, bestätigt sie und platziert jedes kalte Wort wie den Stein eines Mosaiks. »Ich habe wider besseres Wissen zugelassen, dass Patroklos bei dir bleiben durfte, als du bei Cheiron am Pelion warst. Er hat dich ruiniert.« Sie deutet flüchtig mit der Hand auf sein zerfetztes Gewand und das blutverschmierte Gesicht. »Das ist nicht mein Sohn.«
    Seine Brust geht heftig auf und ab. »Wer dann, Mutter? Bin ich dir nicht berühmt genug? Ich habe Hektor getötet.«
    Ihr Gesicht zuckt. »Du verhältst dich wie ein Kind. Mit seinen elf Jahren ist Pyrrhos mehr Mann als du.«
    »Pyrrhos?«
    »Er wird kommen und Troja zu Fall bringen. Nur er kann die Stadt bezwingen, das weissagen die Moiren.« Ihr Gesicht glüht.
    Er starrt sie an. »Du bringst ihn hierher?«
    »Er ist der nächste Aristos Achaion .«
    »Noch bin ich nicht tot.«
    »Es fehlt nicht viel.« Die Worte sind wie Peitschenhiebe. »Weißt du eigentlich, was ich auf mich genommen habe, um dich zu Ruhm und Größe aufsteigen zu lassen? Und jetzt willst du deswegen alles zunichtemachen?« Sie zeigt auf meinen verwesenden Leichnam und verzieht das Gesicht vor Abscheu. »Es gibt nichts mehr, was ich für dich tun könnte.«
    Ihre schwarzen Augen scheinen sich wie sterbende Sterne zusammenzuziehen. »Sein Tod ist mir eine Freude«, sagt sie.
    Es sind die letzten Worte überhaupt, die sie an ihren Sohn richtet.

Zweiunddreißigstes Kapitel
    I n der Nacht, zu einer Zeit, als selbst die wilden Hunde schlafen und die Eulen still sind, kommt ein alter Mann in unser Zelt. Seine Haare sind voller Asche, die schmutzigen Kleider zerrissen und triefen vor Nässe. Er ist offenbar durch den Fluss geschwommen. Und doch leuchten seine Augen hell und klar, als er sagt: »Ich bin gekommen, um meinen Sohn zu holen.«
    Der König von Troja kniet vor Achills Füßen nieder und beugt sein weißes Haupt. »Willst du, mächtiger Prinz von Phthia, bester der Griechen, eines Vaters Bitte anhören?«
    Achill starrt wie benommen auf die altersschwachen und

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