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Das Lied des Achill

Das Lied des Achill

Titel: Das Lied des Achill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeline Miller
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Früchte in Hülle und Fülle. Als Achill vierzehn wurde, kamen Boten mit Geschenken von Peleus. Es war seltsam, sie hier in ihren Uniformen und den Farben des Palasts zu sehen. Sie begafften uns mit unverhohlener Neugier, mich, Achill und vor allem Cheiron. Im Palast wurde gern getratscht, und diese Männer würden bei ihrer Rückkehr wie Fürsten empfangen werden. Ich war froh, als sie ihre geleerten Taschen wieder schulterten und abzogen.
    Die Geschenke waren willkommen – neue Saiten für die Leier, frische Gewänder, gewebt aus feinster Wolle, und ein Bogen samt Pfeilen mit Eisenspitzen. Damit würden wir demnächst fette Beute machen für unseren Tisch.
    Andere Dinge waren weniger nützlich – Mäntel, mit Gold durchwirkt, ein mit Edelsteinen besetzter Gürtel, der viel zu schwer war, als dass er zu irgendetwas hätte taugen mögen. Und dann war da noch eine Pferdedecke, mit Stickereien reich verziert, ein Prunkstück für das Reittier eines Prinzen.
    »Ich hoffe, die ist nicht für mich«, sagte Cheiron und zog die Stirn in Falten. Wir rissen sie in Stücke, die uns als Kompressen, Verbandsmaterial oder Putzlappen dienen konnten. Das feste Material eignete sich vorzüglich, um Schmutz und Essensreste wegzuwischen.
    Am Nachmittag lagen wir im Gras vor der Höhle. »Es ist fast ein Jahr her, seit wir hier angekommen sind«, sagte Achill. Es wehte ein angenehm kühler Wind.
    »So lange kommt es mir gar nicht vor«, entgegnete ich mit schläfrigem Blick ins Himmelblau.
    »Fehlt dir der Palast?«
    Ich dachte an die Gaben seines Vaters, an die Dienstboten und ihre Blicke, an die Nachrichten, die sie nach Hause zurückbringen würden.
    »Nein«, antwortete ich.
    »Mir auch nicht«, sagte er. »Ich hatte geglaubt, ich würde etwas vermissen, aber dem ist nicht so.«
    Die Tage gingen ins Land, Monate und schließlich ein weiteres Jahr.

Zehntes Kapitel
    E s war Frühling, und wir waren fünfzehn. Der Winter hatte länger gedauert als gewöhnlich, und wir freuten uns, wieder draußen zu sein unter der Sonne. Wir zogen unsere Kleider aus, reckten die steifen Glieder und genossen die milde Brise auf der Haut. Aufgrund der Winterkälte hatten wir monatelang unsere Felle nicht abgelegt, abgesehen von den kurzen Momenten in der Felsnische, die uns als Bad diente. Den Vormittag verbrachten wir am Fluss und jagten in den Wäldern. Es fühlte sich gut an, wieder in Bewegung zu sein.
    Ich betrachtete Achill. Da es auf dem Berg keine Spiegel gab – ausgenommen die glatte Oberfläche des Flusses –, konnte ich Veränderungen an mir nur mit Blick auf ihn zu erkennen versuchen. Er war immer noch schlank, aber ein wenig kräftiger und breiter im Kreuz geworden. Das Gesicht hatte schärfere Konturen angenommen.
    »Du siehst älter aus«, sagte ich.
    Er blieb stehen und sah mich an. »Wirklich?«
    »Ja.« Ich nickte. »Und ich?«
    »Komm mal näher.« Ich trat auf ihn zu. Er musterte mich eine Weile. »Ja, du auch.«
    »Inwiefern?«, wollte ich wissen.
    »Dein Gesicht ist anders«, antwortete er.
    »Wo?«
    Er fuhr mit den Fingerspitzen der rechten Hand über meinen Unterkiefer. »Hier. Er ist breiter als vorher.« Ich betastete mich mit der eigenen Hand, konnte aber keinen Unterschied feststellen. Mir schien, ich sei immer noch Haut und Knochen. Er führte meine Hand zum Schlüsselbein. »Auch da«, sagte er, »und dort.« Er tippe auf den Kehlkopf. Ich schluckte und spürte, wie er auf und ab ging.
    »Wo sonst noch?«, fragte ich.
    Er deutete auf die feinen dunklen Haare, die in einem dünnen Streifen vom Bauchnabel abwärts liefen.
    Mir schoss das Blut ins Gesicht.
    »Das reicht«, sagte ich schneller als beabsichtigt. Ich setzte mich wieder ins Gras, sah, wie der Wind durch seine Haare fuhr und seine Haut im Sonnenlicht golden schimmerte. Ich streckte mich aus und ließ ebenfalls die Sonne auf mich leuchten.
    Nach einer Weile setzte er sich zu mir. Wir betrachteten die Bäume mit ihren frischen, jungen Trieben.
    »Ich glaube, du wärst nicht unzufrieden«, sagte er plötzlich. »Mit deinem Aussehen.«
    Ich spürte Hitze in mir aufsteigen. Aber wir verloren kein Wort mehr darüber.
    Wir waren fast sechzehn. Bald würde Peleus wieder seine Boten mit Geschenken schicken, bald würden die Beeren reif sein, die Früchte uns in die Hände fallen. Es war das letzte Jahr unserer Kindheit. Danach würden wir als Männer gelten und nicht mehr nur unsere Leibröcke tragen, sondern auch Chitons und Umhänge. Peleus würde für Achill eine

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