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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels
Autoren: Paul C. Doherty
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Kirche, eine finstere Erinnerung seiner Pächter an die Gefahren, die es mit sich brachte, bei einem solchen wichtigen Anlaß zu lügen.
    Danach begann die Befragung. Gurneys Jäger legte den Eid ab und beschrieb, wie er das Mädchen gefunden hatte. Danach kam Giles Selditch, der sehr anschaulich die Wunden der Toten beschrieb. Corbett fand die Neugier der Geschworenen und Dorfbewohner abstoßend.
    »Wann glaubt Ihr, daß das Mädchen ermordet worden ist?« fragte Gurney.
    Der Doktor, der an einer Ecke der Tafel stand, zuckte mit den Achseln.
    »Sie war bereits starr und von Reif bedeckt. Sie muß gestern abend getötet worden sein.«
    »Was hatte sie draußen auf dem Moor zu tun?« fragte einer der Geschworenen.
    Gurney hieß den Mann schweigen.
    Master Joseph ergriff als nächster das Wort. »Marina war Mitglied unserer Gemeinschaft«, begann er, »niemand zwang sie, zu uns zu kommen.« Er schaute in die Runde und quittierte die gemurmelte Zustimmung mit einem Kopfnicken. »Niemand zwang sie, bei uns zu bleiben.« Er hob eine Hand. »Die Tatsache, daß sie sich auf dem Moor befand, beweist, daß sie frei war, zu kommen und zu gehen, wann immer sie wollte.«
    »Warum ging sie?« fragte Gurney streng.
    Master Joseph schaute ihn an und wartete, bis Father Augustine mit kratzender Feder die Frage niedergeschrieben hatte.
    »Sie sagte«, antwortete er schließlich, »daß sie ihren Vater besuchen wollte. Ich wollte sie erst nicht gehen lassen, hatte aber kein Recht und keinen Grund, sie daran zu hindern. Ich hatte jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt den Eindruck, daß sie mich belog, daß sie in Wirklichkeit jemand anderes treffen wollte.« Er schaute über die Schulter Fulke, den Gerber, an, der am Sockel eines Pfeilers kauerte und einen Arm um seine schluchzende Frau gelegt hatte. »Ich weiß nicht, wen. Marina hätte uns bald verlassen sollen. Ihre Purifikation war abgeschlossen, und wir hatten gehofft, für sie am Ende des Monats eine Schiffspassage nach Outremer zu arrangieren. Sie hätte dann Weihnachten bereits in Bethlehem sein können.«
    Corbett flüsterte Gurney etwas zu, der eilig sagte: »Sir Hugh Corbett würde gern ein paar Fragen stellen.«
    Corbett erhob sich. »Master Joseph, hat jemand von außerhalb der Gemeinschaft versucht, mit Marina zu sprechen, während sie sich in der Eremitage aufhielt?«
    »Ja, Gilbert, der Sohn der alten Hexe.«
    »Und ist Marina ans Tor gegangen, um mit ihm zu sprechen?«
    »Ja, zweimal. Aber dann hat sie sich geweigert, ihn zu sehen.«
    »Und wie hat Gilbert diesen Bescheid aufgenommen?«
    »Er war wütend und verletzt. Er ging jedoch, ohne länger zu murren.«
    »Master Joseph«, Corbett lächelte schwach. Er war sich bewußt, daß ihn die Dorfbewohner durchdringend anstarrten und sich gegenseitig anstießen in Ehrfrucht vor der Bedeutung dieses Mannes, der zwar Abgesandter des Königs war, den sie aber mit einer Mischung aus Bewunderung und Mißtrauen gegen jeden Fremden betrachteten.
    »Master Joseph«, wiederholte Corbett. »Ich muß Euch auch das fragen. Hat gestern abend sonst noch jemand die Eremitage verlassen?«
    »Nein. Master Nettler kann beschwören, daß ich mich nicht fortbegeben habe, und ich kann das auch für ihn bezeugen. Die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft können ebenfalls füreinander bürgen.« Master Joseph sah Gurney direkt an. »Sir Simon, wir sind jetzt seit über einem Jahr auf Eurem Land und werden, wie Ihr wißt, weiterziehen, wenn der Frühling kommt.« Seine Worte riefen bei den Dorfbewohnern einen enttäuschten Seufzer hervor. »Wir haben Eure Gastfreundschaft und die dieses Dorfes kein einziges Mal mißbraucht. Wir haben nie gelogen und waren nie in irgendwelche Betrügereien verwickelt. Ich versichere das jetzt nur, um zu sehen, ob mir jemand widerspricht.« Er hielt inne und schaute in die Runde. Niemand sagte etwas. »Und jetzt unter Eid lüge ich ebenfalls nicht!«
    Corbett nickte und setzte sich wieder. Master Joseph wurde entlassen und verließ die Kirche auf leisen Sohlen. Fulke, der Gerber, wurde als nächstes aufgerufen. Er erklärte, daß es sich bei der Toten um seine Tochter handele, und meinte, Marina sei in der Eremitage glücklich gewesen. Dann sagte er dem Gericht, er vermisse eine dünne Bernsteinkette, ein Geschenk von ihm und seiner Frau.
    »Sie hat sie immer getragen«, sagte er kategorisch. »Und jetzt ist sie, wie auch ihre Seele, weg.«
    Die Dorfbewohner klatschten, als er an seinen Platz zurückging. Andere
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