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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels
Autoren: Paul C. Doherty
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aus Gurneys Weinschlauch nahm.
    »Herr Medikus«, fragte er Selditch förmlich, »das Mädchen wurde also vergewaltigt und dann mit einer Schlinge erwürgt?« Selditch ließ den Weinschlauch sinken. »Ja, das ist doch verdammt offensichtlich.« Seine Züge verloren ihre Härte. »Es tut mir leid«, murmelte er, »aber das Mädchen war ein Engel.« Er schaute Gurney an. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie vergewaltigt und dann getötet wurde oder erst stranguliert und dann brutal mißbraucht.« Er drehte sich um, schaute auf das nebelverhangene Gehölz und dann schließlich wieder Corbett an. »Warum Ihr auch hier seid«, sagte er tonlos, »findet die Wahrheit heraus. Denn der Teufel hat seinen Einzug in Hunstanton gehalten.« Corbett schaute zu Monck hinüber. Der große schwarzgekleidete Beamte war nicht abgestiegen und hatte keine Anstalten gemacht, sich der Leiche des Mädchens zu nähern. Sein Gesicht war bleicher als sonst, und ein Nerv in seiner Wange zuckte. Er ging auf ihn zu und berührte die Hand, die nicht in einem Handschuh steckte. Sie war kalt wie ein Eisblock.
    »Lavinius?«
    Monck starrte auf die Leiche.
    »Lavinius!« zischte Corbett. Er griff den Arm des Mannes und drückte ihn. »Master Monck!«
    Monck wurde aus seiner Versunkenheit gerissen, schaute auf Corbett hinunter, als sähe er ihn jetzt zum ersten Mal, und preßte die Lippen zusammen.
    »Verpiß dich, du Bastard!« zischte er.
    Corbett ließ die Hand sinken. Er trat zurück, erschreckt über die Wut in Moncks Augen, und breitete die Arme versöhnlich aus.
    »Sie ist tot!« flüsterte Monck heiser. »Sie ist tot! Und keiner dieser verdammten Priester oder Pastoureaux kann sie wieder ins Leben zurückbringen!« Er riß gewaltsam an den Zügeln seines Pferdes, stieß ihm die Sporen in die Flanken, drehte ab und preschte in Richtung des Herrenhauses davon.
    »Herr!« Ranulf eilte herbei. »Herr, stimmt was nicht?«
    Corbett schüttelte nur den Kopf. »Nichts von Bedeutung«, erklärte er, »gar nichts.«
    Und dann erinnerte er sich an Geschichten, die er über Monck gehört hatte und die hinter vorgehaltener Hand von den Schreibern des Schatzamtes erzählt wurden, Hofklatsch eben.
    »Der Mann ist verrückt«, murmelte Ranulf.
    »Vielleicht«, entgegnete Corbett.
    Master Joseph kam zurück. Er führte einen Esel, der einen flachen zweirädrigen Karren zog. Maltote und Ranulf legten den Leichnam des Mädchens vorsichtig darauf, und Gurney schickte den Jäger voraus ins Dorf.
    »Sage ihnen, was passiert ist«, befahl er. »Father Augustine wird die Tote in die Kirche bringen.«
    Die kleine traurige Prozession begab sich auf den Weg zurück. Der Karren holperte den schmalen Weg entlang, der nach Hunstanton führte. Es ging am Herrenhaus vorbei, und kurze Zeit später hatten sie das Dorf erreicht. Der Hauptweg war breit und hatte tiefe Karrenspuren. Der Wagen bewegte sich nur ruckweise, und die Erschütterungen schienen den Leichnam, der unter einer Decke verborgen lag, wieder zum Leben zu erwecken. Als sie sich der Mitte des Dorfes näherten, versammelte sich dort bereits eine kleine Menschenmenge. Frauen und Kinder zuerst, dahinter die Männer, die in eiligem Lauf von den Feldern kamen. Ihre Uruhänge und Gamaschen waren fleckig und mit Lehm beschmiert. Kleine Jungen mit Schleudern, mit denen sie räuberische Krähen vertrieben, trotteten hinter ihnen her. Corbett schaute in ihre roten, vom salzwassergeschwängerten Wind verfrorenen Gesichter. Ihre Angst erfüllte ihn mit großer Anteilnahme. Sie versammelten sich wortlos um den Karren und schauten ihren Herrn etwas argwöhnisch an. Gurney nahm seine Kapuze ab, schüttelte den Kopf und stieg ab. Er hob die Hand und beendete so die leisen Seufzer und gemurmelten Flüche.
    »Marina, Gott sei ihrer Seele gnädig«, verkündete er, »ist auf dem Moor heimtückisch ermordet worden. Ich schwöre bei Gott und dem König, ihr Mörder wird gefunden und gehängt werden!«
    »Was hatte sie dort zu suchen?« rief jemand.
    Die Frage wurde nicht beantwortet, ein beleibter, untersetzter Mann mit einer ängstlich dreinschauenden Frau im Schlepptau eilte gerade herbei und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Er warf einen Blick auf die Leiche und wandte sich ab. Dann fuhr er sich an die Brust und krallte die Finger in seine Lederschürze. Er versuchte seine Frau daran zu hindern, zu sehen, was er gesehen hatte, aber sie machte sich von ihm los, stand eine Weile da und schaute auf die Tote hinunter. Dann brach sie
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