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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels
Autoren: Paul C. Doherty
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begraben lag. Er wußte, daß es Sitte war, Selbstmörder und Exkommunzierte am Richtplatz beizusetzen. Warum, fragte er sich, war die Bäckersfrau wohl hierhergekommen? Warum hatte sie jemandem erlaubt, ihr eine
    Schlinge um den Hals zu legen? Wie konnte es sein, daß der Mörder keine Spuren hinterlassen hatte? Und wer war auf dem Pferd des Bäckers wieder ins Dorf zurückgeritten?
    Erhörte Hufschlag und drehte sich besorgt um. Monck kam aus dem Nebel galoppiert. Sein schwarzer Umhang wehte hinter ihm her, und er sah aus wie ein Rabe, der Unheil verkündet. Corbett nickte Ranulf und Maltote zu, daß sie sich entfernen könnten.
    »Reitet zur Eremitage«, befahl er. »Ich sehe euch dann wieder im Herrenhaus.«
    Ranulf und Maltote galoppierten davon, als Monck, sein Pferd jetzt im Schritt reitend, Corbett beinahe erreicht hatte. Er strich seine Kapuze zurück, Haare und Gesicht waren klatschnaß. War er am Strand gewesen und hatte dort in die Gischt geschaut? Monck deutete auf den Galgen.
    »Rätselhaft, was, Corbett?«
    »Habt Ihr die Leiche gesehen?« fragte Corbett.
    »Ja, nichts als der Abdruck der Schlinge um ihren Hals. Nichts im Vergleich mit dem jungen Mädchen, das wir heute morgen gefunden haben.« Monck kam mit seinem Pferd näher. »Ich dachte, daß ich Euch entweder im Dorf oder hier finden würde. Ich wollte mit Euch sprechen.«
    Corbett schaute ihn an. »Warum?«
    Monck wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
    »Ich wollte mich entschuldigen.«
    Einige Sekunden lang hatte sein Gesicht einen entspannten Ausdruck, und er sah aus wie der junge und umgängliche Mann, der er eigentlich hätte sein können. Monck schaute über das Meer, über dem Nebelschwaden hingen, und sagte leise: »Ihr habt die Geschichte vermutlich gehört?«
    »Ja«, entgegnete Corbett. »Ich habe mich daran erinnert. Ihr hattet ebenfalls eine Tochter.«
    »Sie war sechzehn«, sagte Monck und blickte immer noch über die See. »Sie war hübsch wie ein Sommertag. Jedesmal, wenn ich sie anschaute, dachte ich an ihre Mutter, die im Kindbett gestorben war. Es passierte alles so schnell. Der Earl of Surrey hatte ein kleines Bankett organisiert. Es war ein wunderbarer Tag. Caterina, meine Tochter, sagte, sie wolle einen Spaziergang in einem Wäldchen in der Nähe machen. Ich war so dumm, sie gehen zu lassen. Wir waren auf dem Besitz des Earls. Ich dachte, daß ihr dort schon nichts geschehen würde. Eine Stunde verging, und sie kam nicht zurück. Ich bekam Angst und machte mich auf die Suche. Sie lag genauso da wie das Mädchen, das wir heute morgen gefunden haben.« Er wandte sich jetzt zum ersten Mal wieder an Corbett und blinzelte, um die Tränen zu vertreiben. »Man hatte sie überfallen, vergewaltigt und dann erwürgt. Und ich konnte nichts tun. Ich redete auf sie ein.« Seine Worte stockten. »Ich zog sogar meinen Dolch hervor und schnitt mir in die Hand, um zu sehen, ob ich träume. Der Earl of Surrey war sehr freundlich, aber der Mörder wurde nie gefaßt.« Corbett beugte sich zu ihm hinüber und berührte ihn leicht am Arm.
    »Das tut mir wirklich leid, Lavinius, wirklich.«
    »Es gab natürlich Verdächtige«, fuhr Monck fort. »Auf der anderen Seite des Waldes hatten sich die Pastoureaux niedergelassen. Sie hatten von einer Kirchenruine Besitz ergriffen. Sie schworen, daß sie mit Caterinas Tod nichts zu tun hätten.«
    »Handelte es sich um dieselbe Gruppe?« fragte Corbett, »um die Leute, mit denen wir es hier zu tun haben?«
    Monck schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich war außer mir vor Kummer. Der Earl of Surrey holte den Sheriff und seine Männer. Die fanden jedoch nichts heraus.«
    »Glaubt Ihr, daß die Pastoureaux Marina getötet haben?« Moncks Gesicht verzog sich zu einem Hohnlächeln. »Das sollt Ihr beweisen, Corbett! Mir ist verdammt egal, wer Marina ermordet hat. Aber eines Tages wird jemand für den Tod meiner Tochter bezahlen!« Monck griff die Zügel seines Pferdes fester und beugte sich zu Corbett hinüber, so daß sein Gesicht nur ein paar Fingerbreit von dessen entfernt war. »Ich weiß, wie Ihr über mich denkt«, flüsterte er. Corbett bemerkte den mörderischen Haß in den Augen des anderen. »Ihr denkt, daß ich vollkommen skrupellos bin, daß ich keine Prinzipien habe und keine Moral. Wie sollte ich aber, da ich keine Seele mehr habe? Meine Seele, mein Leben starben an dem Tag, an dem meine Tochter ermordet wurde. Gott nahm mir meine Frau, dann nahm er mir auch noch Caterina. Ich
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