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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels
Autoren: Paul C. Doherty
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mit offenem Mund auf den Pflastersteinen neben dem Karren zusammen und stieß den fürchterlichsten Schrei aus, den Corbett jemals gehört hatte. »Meine Kleine!« jammerte sie. »O nein, nicht meine Marina!« Das Jammern klang noch jämmerlicher, da sie einen sehr starken ländlichen Akzent hatte. Sie schlug mit dem Kopf gegen das Karrenrad. Ihr Mann versuchte sie wegzuziehen, aber sie machte sich von ihm los, und ihre Haube rutschte ihr von dem dünnen grauen Haar. Dann stürzte sie sich auf Gurney und klammerte sich an seine Robe.
    »Wer ist zu so etwas fähig?« rief sie. »Wer ist zu so etwas fähig?« Ihr fürchterliches Schluchzen brachte jeden Lärm zum Verstummen. Gurney sah ihren Mann an.
    »Ist es Marina?«
    Der Mann nickte, Tränen rannen ihm über die Wangen.
    »Ich will Gerechtigkeit, edler Herr«, flüsterte er.
    »Die sollt Ihr bekommen.«
    Er schaute auf den Geistlichen. »Ihr werdet sie begraben, Pater?«
    »Ja, Fulke, das werde ich, in Gottes geweihter Erde.«
    Fulke bahnte sich einen Weg zu Master Joseph, der schweigend etwas abseits stand.
    »Ihr habt gesagt, Ihr würdet auf sie aufpassen«, sagte er bitter. Master Joseph machte keine Zugeständnisse, er beachtete das bedrohliche Gemurmel nicht weiter, das sich um ihn herum erhob.
    »Fulke, das habe ich auch gemacht. Aber Marina bestand gestern abend darauf, ins Dorf zurückzukehren. Sie mußte Euch unbedingt sehen, so sagte sie zumindest. Vielleicht wollte sie auch jemand anderen besuchen.«
    »Wo ist Gilbert, der Sohn der Hexe?« rief jemand.
    »Er ist nicht hier«, erwiderte ein anderer.
    Corbett drehte sich um. »Father Augustine, wer ist dieser Gilbert?«
    »Der Liebste des Mädchens. Oder zumindest hatte er ein Auge auf sie geworfen. Ein einfacher Bursche, der Sohn eines Holzfällers. Er lebt mit seiner Mutter am Rande des Dorfes hinter der Kirche. Sie ist in der Heilkunst bewandert, sie weiß alles über Kräuter und Kuren, Heilmittel und Heiltränke.« Father Augustine senkte seine Stimme. »Aber Ihr wißt ja, wie so etwas ist, Sir Hugh, man munkelt, sie beschäftige sich mit Schwarzer Magie und reite nachts mit anderen Dämonen auf dem Besen.« Die Stimmung der Menge war von einem Augenblick auf den anderen aggressiv geworden. Gurney stieg wieder aufs Pferd und erhob die Stimme: »Es gibt gegen niemanden belastende Beweise.«
    »Wer hätte es denn sonst tun sollen?« fragte jemand.
    Eine Gruppe von Dorfbewohnern hatte einen Ring um Fulke und seine Frau gebildet. Ein kleiner Mann mit kugelrundem Bauch trat vor. Sein von Warzen bedecktes Gesicht war verkniffen, wütend glühten seine Wangen. Er bewegte sich selbstbewußt und fuhr sich mit seinen dicken Fingern durch sein strähniges blondes Haar. Er baute sich vor Gurneys Pferd auf.
    »Ihr wißt doch, was hier üblich ist, Sir Simon? Ich, Robert Fitzosborne, der Vogt dieses Dorfes, fordere, daß eine Versammlung einberufen und der Mörder ausfindig gemacht wird!« Das also war der Vogt. Corbett schaute sich den Mann gründlich an und dachte an den Klatsch vom Vorabend. Fitzosborne trug bessere Kleidung als die übrigen Dorfbewohner. Der Vogt streckte jetzt seine Arme aus und wandte sich halb den anderen zu. »Wir alle fordern das«, rief er, »denn so ist es Sitte und so verlangt es das Gesetz.«
    Die Menge brach in zustimmende Rufe aus. Corbett faßte unter seinem Umhang nach dem Griff seines Schwertes und schaute Ranulf und Maltote warnend an. Die Leute aus dem Dorf bewegten sich auf sie zu. Corbett drehte sich um, als er Hufschlag auf dem Weg hörte, und sah Catchpole mit Dienern in Livree auf sie zugaloppieren. Gurneys Gefolgsmann hatte den Verlauf der Ereignisse klug vorhergesehen und trug unter seinem Umhang einen Kettenpanzer. Seine fünf Diener waren ebenfalls schwer bewaffnet.
    Ihre Ankunft schmälerte die Arroganz Robert Fitzosbornes ein wenig, doch wollte er sich nicht so leicht geschlagen geben. »Sir Simon, die Bräuche sind wohlbekannt«, rief er trotzig. »Einer Eurer Pächter ist brutal ermordet worden. Ihr habt die Macht.«
    Gurney wandte sich an Corbett und lächelte ihm schwach zu. »Fitzosborne hat recht«, sagte er. »Ich habe Macht über Schwert und Galgen. Aber Ihr seid hier der Vertreter der Krone, was schlagt Ihr vor?«
    Corbett schaute auf die Menge der Bauern, die sich um den Karren mit seiner traurigen Fracht geschart hatten. Er fand die Forderung Fitzosbornes gerechtfertigt. Ein junges Mädchen war brutal ermordet worden. Auf einer Versammlung würde er auch
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