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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Vergangenheit zu befragen.«
    »Nein, Pater, ich kam wegen der geschändeten Gräber. Vielleicht könntet Ihr sie mir zeigen?«
    Father Augustine führte ihn auf den überwachsenen Kirchhof. »Mein Vorgänger«, erklärte er, »Father Ethelred war schon sehr alt und zudem gebrechlich. Deswegen hat mich der Bischof auch hierhergeschickt. Wenn der Frühling kommt, werde ich hier für Ordnung sorgen.«
    Corbett sah sich um, umgestürzte Grabsteine und verwitterte Holzkreuze - die alle frisch mit Teer bestrichen waren.
    »Das habe ich gemacht«, sagte Father Augustine. »Der Gemeinderat war besorgt, daß das Holz sonst so schnell verrottet. Aber laßt mich Euch die Gräber zeigen, die geöffnet worden sind.« Er führte Corbett über den Friedhof und deutete auf einen Fleck, an dem die nasse Erde Irisch umgegraben worden zu sein schien.
    »Das ist das letzte.«
    »Wer ist da begraben?« fragte Corbett.
    Father Augustine hockte sich in das nasse Gras und betrachtete nachdenklich den verwitterten Grabstein.
    »Ja, jetzt erinnere ich mich«, sagte er. »Als ich im Kirchenbuch nachsah, stellte ich fest, daß es sich um einen Unbekannten handelt. Das Kirchenrecht ist da sehr strikt«, erklärte er. »Wenn ein Fremder stirbt, dann muß er in der nächsten Gemeinde begraben werden mit dem Wort >Incognitus< - unbekannt - und dem Sterbedatum auf dem Stein.«
    »Und die anderen Gräber?« fragte Corbett.
    Der Geistliche führte ihn herum und zeigte auf die Gräber, die zerstört worden waren. Corbett erkannte recht bald, daß diese Entweihungen ein bestimmtes Muster aufwiesen. Alle bis auf zwei der geplünderten Gräber gehörten Unbekannten, die zwei Ausnahmen waren die von alten Damen. Und immer handelte es sich um alte Leute, die zwischen 1216 und 1256 gestorben waren.
    »Und Ihr habt keine Idee, wer der Täter sein könnte?«
    »Nein, überhaupt nicht.« Father Augustine seufzte. »Ich habe Wachen aufgestellt, und das haben Robert, der Vogt, und der Gemeinderat auch. Es ist immer dasselbe.«
    »Wann passierte es?« fragte Corbett. »Nachts?«
    Der Geistliche nickte. »Obwohl einmal auch am Spätnachmittag ein Grab geschändet wurde. Der Herr mag wissen, was sie gesucht haben.«
    »Amelia Fourbour, die Frau des Bäckers«, fragte Corbett unvermittelt, »hat sie Euch besucht?«
    Der Priester zuckte mit den Achseln. »Ja. Eine sehr unglückliche Frau. Amelia klagte über die Dorfbewohner, aber ich konnte da kaum etwas tun.« Father Augustine schaute in den wolkenverhangenen Himmel. »Ich kann ihren Tod nicht erklären und war auch nicht in der Lage, ihr zu helfen, als sie noch lebte. Gott möge mir das vergeben. Ihr habt doch meine Gemeinde getroffen, Sir Hugh, die Menschen hier sind so hart wie die Erde, die sie beackern!«
    Corbett stimmte zu und dankte ihm. Er ging zum Friedhofstor zurück, bestieg sein Pferd und ritt durch die Abenddämmerung zum Holy Cross Convent. Er folgte dem Pfad das Kliff entlang und blieb gelegentlich stehen, um aufs graue, tosende Meer hinauszusehen. Schließlich tauchte das Kloster vor ihm auf. Als sich die Tore hinter ihm schlossen, war sich Corbett bereits im klaren darüber, daß es sich um eine sehr reiche Stiftung handeln mußte. Die Türen waren frisch gestrichen und öffneten sich lautlos auf gerade erst geölten Scharnieren. Die Nebengebäude hatten Ziegeldächer, die Holzwände machten einen frischen und leuchtenden Eindruck, und der Hof war erstklassig gepflastert. Ein Stallbursche nahm ihm sein Pferd ab, und eine Laienschwester führte ihn ins Haus. Hier war der Reichtum der Schwestern ebenfalls sehr augenfällig. Die Wände waren getäfelt, die Möbel poliert, und in Nischen standen wunderschöne geschnitzte Statuen. Am Ende des Ganges war über einem spitzbogigen Portal ein erstklassiges Triptychon zu bewundern. Es duftete nach Holz, Harz und Weihrauch.
    »Bewundert Ihr unser Kloster?« fragte die Laienschwester. Corbett war stehengeblieben, um ein großes geschnitztes und bemaltes Kruzifix im byzantinischen Stil anzuschauen. »Wunderschön«, sagte Corbett.
    »Nur Frauen aus guter Familie werden hier zugelassen, die Töchter oder Witwen von Adligen«, erklärte die Schwester. »Sie haben meist eine reiche Mitgift, und dann ist da natürlich noch der Ertrag von den Schafen.«
    Corbett erinnerte sich an die Herden, die er auf dem Moor gesehen hatte.
    »Das Kloster exportiert Wolle?« fragte er.
    »O ja, ganze Karren voll davon gehen nach Whitstable, Boston, Bishop’s Lynn und Hull.

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