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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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zu genießen. Lore rutschte auf ihrem Platz hin und her.
    Sie, die Päckelchesträgerin, Alyss’ Schützling, war ein aufgewecktes Ding, aber manchmal handelte sie nicht eben überlegt. Vor einiger Zeit hatte sie, wenn auch aus lauteren Absichten, ein ziemliches Desaster verursacht, das dazu geführt hatte, dass Alyss und Gislindis in den Turm gesperrt worden waren. Marian sah sie eindringlich an. Bisher hatte sie den Mund noch nicht aufgemacht, aber irgendwas wollte aus ihr herauskommen.
    »Gibt es etwas, das dir aufgefallen ist, Lore?«, fragte er also.
    »Die Frau Herrin war so bedröv, Herr. Wegen der ertrunkenen Leiche. Sie war lang im Weingarten, hinten in der Laube.«
    »Ja, das ist richtig«, sagte Catrin. »Sie dachte an Terricus.«
    Lore rutschte weiter auf ihrem mageren kleinen Hintern hin und her.
    »Lore, was ist los?«
    »War ihr Sohn, der Terricus. Und die Luitgard hat ihn ersäuft. Ich … ich hab Angst, Herr. Vielleicht ist sie wech. Wegen der toten Frau.«
    »Luitgard hat ihn nicht ertränkt, Lore. Sie hat nur nicht aufgepasst«, antwortete Catrin sanft. Aber das Mädchen hatte die Hände gefaltet und zitterte sichtlich.
    »Sie ist wech. Und da unten sind die Minschenfresser.«
    Marian, dessen Laune inzwischen ziemlich angespannt war, wollte sie zur Ordnung rufen, aber da stand Frieder auf und kniete sich neben Lore.
    »Frau Alyss war traurig, aber sie würde sich nie verkriechen, Lore. Und ganz gewiss nicht in die dunklen Aduchten. Wahrscheinlich hat man ihr einen bösen Streich gespielt, und wir werden sie bald gefunden haben.«
    Natürlich, dachte Marian. Lore musste wohl so denken. Sie selbst hatte sich, als sie schuldbewusst und verängstigt war, wie ein krankes Tier in den unterirdischen Gängen verkrochen. Seine Schwester mochte den Tod ihres Sohnes zwar noch immer betrauern, aber sie hatte sich damit abgefunden.
    »Frieder hat recht, Lore. Beruhige dich. Überlegen wir, welche Kunden sie in der Nähe der Friesenpforte und dem Severinstor hatte.«
    »Schaftür!«, sagte Lucien in die Stille. »Peer ’at gesagt, Schaftür. Sie fahren da’in.«
    »Schaftür? Himmel, was hat er damit gemeint?«
    »Einen Schäfer vielleicht?«, meinte Robert. »Oder einen Wollenweber?«
    Lauryn schüttelte den Kopf.
    »Keine Kunden der Frau Alyss.«
    »Eine Gasse? Ein Hof?«
    Catrin war es, die eine Erleuchtung hatte.
    »Tür heißt porte, wie Pforte. Schafenpforte.«
    »Oui, oui!«, rief Lucien. »Schafenporte.«
    »Lauryn?«
    »Nein, ich kenne keinen Kunden von der Schafenpforte. Da sind doch nur Felder und Weingärten.«
    »Und eine Mühle«, ergänzte Robert. »Wir sollten den Müller aufsuchen.«
    »Unbedingt.«
    »Ihr werdet erst ein Mittagsmahl zu euch nehmen«, sagte Catrin und gab Hilda einen Wink.
    Marian hatte wenig Appetit, obgleich er seit dem Morgengrauen nichts gegessen hatte. Die Stimmung bei Tisch war weiter bedrückt, nur Lucien sorgte für etwas Unruhe, weil er Benefiz unter dem Tisch mit Fleischstückchen ärgerte, die er ihm hinhielt und immer wieder aus der Reichweite des Spitz zog. Bis der die Nase voll hatte und zubiss.
    »Auuu!«, heulte der Junge auf und zeigte seinen blutenden Finger vor.
    »Selber schuld«, fuhr ihn Hilda an und reichte dem Hund einen Napf mit Futter.
    »Du bist ein Idiot«, meinte auch Frieder. »Herr Marian, der Pfandleiher, der war richtig böse wegen dem Salz. Das war ein großer Verlust für ihn, wisst Ihr? Er hat Frau Alyss verflucht. Was, wenn er sie entführt hat und Lösegeld haben will?«
    »Dann wird er sich melden und das Geld einfordern.«
    »Ich könnte ihn aufsuchen, Herr Marian. Und ihm Angst machen.«
    Das kriegerische Leuchten in Frieders Augen belustigte Marian für einen kleinen Moment.
    »Nein, Frieder. Eins nach dem anderen. Hat jemand Botschaft von John erhalten? Robert?«
    »Sein Schiff müsste vor vier Tagen in Deventer eingetroffen sein. Er wird bald hier sein.«
    »Gebt mir augenblicklich Bescheid, wenn er eintrifft.«
    »Natürlich.«
    »Und nun besuche ich die Schafenpforte.«
    »Ich begleite dich«, sagte Robert.
    Der Weg quer durch die Stadt war nicht weit, und hinter dem Neumarkt wurde die Bebauung spärlich. Sie fragten einige Männer und Frauen, die in den Weingärten von Aposteln arbeiteten, ob sie am Vortag den Karren mit den Weinfässern gesehen hatten und wer den Wein möglicherweise bestellt haben könnte, aber sie wurden nur misstrauisch beäugt und bekamen keine hilfreichen Antworten.
    »Wir sind zu fein gekleidet, Marian.

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