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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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des großen Hauses am Alter Markt.
    Man öffnete ihm, und der Haushofmeister begrüßte ihn mit einem: »Gott sei’s gepriesen, Ihr seid wohlbehalten zurück.«
    »Wo finde ich meinen Vater? Meine Mutter?«
    »Im Kontor. Folgt mir, Herr Marian.«
    In dem großen, höhlenartigen Raum voller Folianten, Pergamenten und Warenproben thronte Ivo vom Spiegel hinter seinem Pult, seine Miene düster und dräuend. Frau Almut, in einem grauen Gewand, das Haupt unbedeckt, die leicht ergrauten Haare zu einem festen Kranz geflochten, stob zwischen den Regalen hin und her.
    »Marian!«, stieß sie hervor und stürzte zu ihm, um ihn in einer festen Umarmung an sich zu ziehen.
    »Mama. Was ist passiert?«
    »Deine Schwester wurde entführt«, grollte sein Vater und erhob sich ebenfalls, um ihn in eine kurze, harte Umarmung zu ziehen.
    »Alyss entführt? Ist John schon hier?«
    »Wir erwarten ihn in Kürze.«
    »Wann ist es geschehen?«
    »Gestern. Sie wollte um die Mittagszeit mit Peer zwei Fässer Wein ausliefern. Als sie am Nachmittag nicht zurück war, machte sich Robert auf die Suche nach ihr. Wir wissen nicht, wen sie beliefern wollte. Er berichtete uns kurz vor der Vesper.«
    »Die Wachen …«
    »Sind bereits alarmiert. Sie haben den Karren gefunden. Er stand ohne Pferd und Ladung in der Nähe der Friesenpforte.«
    »Und Peer«, Frau Almut rang die Hände, »Peer haben sie am Severinstor gefunden. Erschlagen.«
    »Oh mein Gott.«
    Die kalte Angst wurde zu eisiger Furcht.
    »Robert ist also wieder hier? Und Catrin auch?«, fragte Marian mit erstickter Stimme.
    »Beide wohnen in Alyss’ Haus und kümmern sich um alles.«
    »Ich suche sie auf, Herr Vater. Meine Waren können die Handelsknechte herbringen.«
    »Ich sehe selbst drauf.«
    Frau Almut nahm seine Hände, und er sah in ihr von Sorgen gezeichnetes Gesicht.
    »Du bist ihr Zwilling, Marian. Finde sie.«
    »Das werde ich. Sie lebt, Mama. Wäre sie tot, würde ich es spüren«, sagte er leise. Dann machte er sich los.
    Das Hauswesen war bedrückt. Selbst Benefiz schlich mit trüber Miene auf ihn zu und winselte, als er durch das Hoftor trat. Catrin, seine Ziehschwester, begrüßte ihn zwar liebevoll, doch auch sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. Und in der Küche hantierte Hilda unter leisem Weinen.
    »Es hat sie so sehr getroffen, Marian. Sie und der alte Handelsknecht waren einander zugetan.«
    »Ja, ich weiß. Erzählt mir genau, was vorgefallen ist. Alle zusammen.«
    »Ich rufe sie in den Saal. Lucien und Denise kennst du noch nicht.«
    »Wer sind sie?«
    »Geschwisterkinder von eurem Onkel Leon.«
    Kurz darauf saßen alle um den langen Tisch, und ein jeder berichtete, was in den vergangenen Tagen vorgefallen war. Marian hörte schweigend zu und fasste schließlich zusammen, was er davon für wichtig hielt.
    »Luitgard, die Amme, wurde ertrunken gefunden. Entweder hat sie einen Unfall gehabt, oder jemand hat nachgeholfen. Ihr Mann Franz hat hier nach ihr gefragt, weil seine Magd ihm geraten hat, die Weinhändlerin aufzusuchen. Rentmeister Oldendorp ist bei der ›Eselin‹ erwischt worden, und sein Pferd wurde ausgeborgt. Ambrosio, der Pfandleiher, hat meine Schwester aufgefordert, die Schulden von Arndt van Doorne zu begleichen, der ihm zwei Fässer mit sandigem Salz angedreht hat. Er war wütend auf sie. Alle drei sind Alyss möglicherweise übel gesinnt.«
    Seine Zuhörer nickten.
    »Sie hat den Wagen mit zwei Fässern Burgunder beladen – keiner von euch weiß, wem sie die liefern wollte. Robert, hast du in ihren Büchern nachgesehen?«
    »Habe ich, dort findet sich kein Eintrag.«
    »Hat jemand vorgesprochen und Wein geordert?«
    »Frau Alyss hat meist Bestellungen aufgenommen, wenn sie geliefert hat. Sie oder Peer«, sagte Frieder.
    »Oder ist auf dem Markt angesprochen worden«, fügte Lauryn hinzu.
    »Oder Merten hat Kunden genannt.« Frieder rieb sich die Nase. »Aber die hat er immer selbst beliefert.«
    »Merten – ihn sollten wir dennoch befragen. Weiß jemand, wo er sich aufhält?«
    Alle schüttelten den Kopf.
    »Seine Großmutter, die Trude de Lipa, wird es wissen. Wir suchen sie auf, Marian«, sagte Robert.
    »Gut.«
    Marian sah in die Runde. Frieder wirkte erwachsener als noch vor einem halben Jahr, Lauryn ruhig und verlässlich, Robert und Catrin saßen dicht nebeneinander, bereit, die Verantwortung zu tragen, Hilda sah unglücklich, Denise verstört aus. Lucien mit seinem geschundenen Gesicht hingegen schien aufgeregt und bereit, das Abenteuer

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