Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Befragung von Thys und Trudlin im Turm ergeben, nannte sich Kalle und zeichnete sich durch das Fehlen jedweder Schneidezähne aus.
Mit dieser bunten Mischung an Wissensbröckchen war John bereit, dem vamme Thurme höchst schmerzhaft auf den Zahn zu fühlen. Marian hatte ihm ein Pferd vorbeigebracht, einen schönen Braunen, der begierig war, seine Beine zu bewegen. Auch Robert und Edward warteten mit tänzelnden Rössern darauf, nach Dellbrück aufzubrechen.
Noch wehte ein kühler Wind durch das Rheintal, aber die Wolken, die tagelang den Himmel verhangen hatten, lösten sich auf, und klar lag das gegenüberliegende Ufer vor ihnen, als sie zu der Fähre ritten. Die breite Plattform nahm nicht nur Menschen, sondern auch Gespanne und Pferde auf, sie schwamm langsam in der Strömung zur anderen Seite hinüber. Es war eine gemächliche Fahrt, und hätte nicht die Unrast in seinem Herzen gelebt, hätte John sie vermutlich genossen.
Sie hatten sich überlegt, auf welche Weise sie Constantin zum Reden bringen wollten, und die Vorschläge reichten von einer gütlichen, wenn auch hartnäckigen Befragung bis hin zur Überwältigung und Überstellung in den Kerker. John war bereit, notfalls auch Blut zu vergießen, sollte der Mann sich als störrisch erweisen.
Sie ritten schweigsam durch die Felder, auf denen die Bauern die Saat ausbrachten, Krähen krächzend die Körner pickten und gurrende Tauben in den Bäumen saßen. Sie folgten dem von grünenden Weiden bestandenen Bachlauf der Strunde mit ihren zahlreichen Wassermühlen und erreichten bald darauf den Rittersitz derer vamme Thurme.
»Frag du nach Constantin, Robert. Ich will mich hier nicht gleich sehen lassen«, brach John das Schweigen. Robert nickte und ritt voraus.
»Gutes Jagdgebiet«, meinte Edward und sah sich um. Ein dichter Wald schloss sich an die Felder und Hecken an. »Heißt aber, es gibt hier noch heidnische Stätten.«
»Welcher Art?«
»Hügelgräber alter Könige, die angeblich in silbernen Särgen bestattet liegen.«
»Kaum mehr.«
Edward erlaubte sich ein winziges Lächeln.
»Ihre Geister werden dort umgehen und die Frevler erstarren lassen.«
»Ein sinnvoller Glaube, wenn man etwas schützen will.«
John sah sich um. Das junge Laub der Bäume hatte die hohen Kronen der Buchen noch nicht erreicht, doch das Unterholz war schon grün geworden, und am Wehrgraben um den Rittersitz blühten die ersten gelben Schwertlilien. Ein schönes, wohlbestelltes Gut mit ertragreichen Feldern, wildreichem Wald und höchst nützlichen Mühlen gehörte den vamme Thurme.
Robert kam zu ihnen zurück und wies auf einen Weg, der um die Anlage herumführte.
»Constantin ist in der Jagdhütte und kümmert sich um seine Hunde. Eine günstige Gelegenheit, sollte man meinen.«
»Solange er die Hunde nicht auf uns hetzt.«
»Sind wir nicht harmlose Besucher?«
»Noch.«
»Ich kümmere mich um die Hunde«, sagte Edward.
»Gut, dann los.«
Ungeduld vibrierte durch John. Sie kamen ihrem Ziel näher. Bald würden sie Constantin entreißen, wohin er – oder wer auch immer – seine Mistress gebracht hatte.
Jagdhunde, vier braungescheckte Bracken, lagen in einem umzäunten Hof an Ketten und knurrten leise, als sie abstiegen und Edward die Pferde überließen. Von dem Mann war nichts zu sehen. John und Robert blickten sich an. Sie hatten jahrelang gemeinsam Geschäfte getätigt und dabei nicht wenige gefährliche Situationen überstanden. Beide griffen zu den Heften ihrer Dolche im Gürtel und betraten den Hof.
»Constantin vamme Thurme!«, rief Robert.
»Bleibt fort«, kam eine Stimme von hinter der Holzhütte, die offensichtlich dem Jagdführer als Unterkunft diente. Ein prachtvolles Geweih war über dem Eingang angebracht, vier tote Kaninchen hingen an den Hinterläufen zusammengebunden an einer Stange, ein Jagdbogen nebst Köcher lehnte neben der Tür.
»Schauen wir nach«, sagte John leise und ging voran. Etwas verdutzt blieb er stehen, als er einen jungen Mann in Lederwams und Stiefeln auf dem Boden kauern sah. Ein Deckenlager war vor ihm ausgebreitet, und eine hellbraune Hündin blickte zu ihm auf. Ein klebriges kleines Bündel lag neben ihr.
»Fort, sie darf nicht gestört werden«, zischte Constantin.
John schob den Dolch zurück und kniete sich neben den Mann.
»Das erste?«
»Ja, und das erste Mal. Sie ist unruhig.«
Er rubbelte den neugeborenen Welpen mit einem Leinentuch ab, da die Mutter eben damit begann, ihr zweites Junges zu gebären. John
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