Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
verströmte seinen herben Duft, der Lavendel hatte erste grüne Spitzen bekommen, John erkannte auch Bilsenkraut und die Blätter der Alraune. Er stieg von seinem Pferd und gab dem wütenden Gänserich einen von Lore gelernten Schlag auf den Schnabel. Der Vogel schnappte nach ihm und bekam noch einen Hieb. Beleidigt schnatternd drehte er ihm daraufhin den Schwanz zu, seine Gefolgschaft tat es ihm gleich.
»Ihr wünscht, die Herren?«, fragte das Weib mit einem heiseren Lachen in der Stimme. Angst schwang nicht darin mit.
»Ein paar Worte mit Euch. Wenn es genehm ist, in Eurem Haus.«
»Genehm ist es nicht.«
»So unterhalten wir uns hier über Euren Zaun, Sybilla«, sagte Robert. »Ihr verkauft Tränke und Pulver, hörten wir.«
»Ihr hörtet richtig. Tränke gegen Husten, Salben gegen Grind, Pulver gegen Zahnschmerz, Elixiere gegen Fieber. Kräuter, Wurzeln und Pilze hat der Herr wachsen lassen, damit sie den Menschen Linderung und Heilung bringen.«
»Oder sie benommen machen, ihnen irre Gedanken eingeben, Leidenschaft wecken oder in den Wahnsinn treiben.«
»Die hat der Herr auch wachsen lassen. So wie er auch den Wein gären lässt, von dem die Menschen trunken werden.«
»Klug argumentiert. Was gebt Ihr jungen Männern mit, die Euch um Liebestränke bitten?«
Der Blick der Frau glitt abschätzig über John, dann verzogen sich ihre schmalen Lippen zu einem Lächeln.
»Euch würde ich gar nichts mitgeben. Macht mir nicht weis, dass Ihr so etwas benötigt.«
»Nein, das tue ich nicht. Aber andere scheinen solche Mittel zu brauchen. Und ihnen gebt Ihr Pulver, mit denen sie unschuldige Maiden willig machen.«
»Nein, das tue ich nicht, Herr. Doch ich kann nicht vermeiden, dass Missbrauch mit meinen Mitteln getrieben wird. So, wie der Schmied, der diesen schönen Dolch an Eurem Gürtel geschmiedet hat, nicht Schuld daran trägt, wenn Ihr mit ihm eine Kehle aufschlitzt.«
John nickte. Das Weib gefiel ihm. Sie zeigte keine Angst, und sie wusste zu verteidigen, was sie tat.
»Welche Mittel wären es, die man missbrauchen kann?«
»Warum fragt Ihr, Herr?«
»Weil ein Mann beschuldigt wird, einer Schankmaid ein solches Pulver verabreicht zu haben. Und wir suchen diesen Mann, weil er weitere Taten begangen hat oder von Übeltaten weiß. Eine Spur führt zu Euch, Sybilla.«
Sie ging einige Schritte in ihrem Garten auf und ab, dann wandte sie sich dem Törchen zu und öffnete es.
»Einer von euch mag eintreten. Drei Männer sind zwei zu viel in meinem Haus.«
»Geh du, John«, sagte Robert.
Er trat in den Garten und folgte dem Weib ins Innere der Hütte. Hier duftete es nach Kräutern und Schmalz. Töpfe und Tiegel standen auf grob gezimmerten Borden, über einer Feuerstelle hing ein geschwärzter Topf, doch das Feuer war erloschen. Ein Napf mit etwas Fisch stand in der Ecke, und über den machte sich die weiße Katze her.
»Ich will Euch keinen Ärger machen, Sybilla. Frauen wie Ihr wissen, was sie tun.«
»Ja, ich weiß es, und deshalb bekommen Jungfern mit Liebesleid Kamillentee von mir und einen guten Rat. Und für jene, die den falschen Braten im Ofen haben, habe ich ebenfalls einen Rat und ein Kräutlein, das sie davon befreit. Auch wenn die Priester behaupten, dass Schmerz zu leiden unser Los ist, seit wir des Paradieses vertrieben wurden, so sehe ich nicht den Sinn darin, solange die Natur uns hilft, ihn zu ertragen.«
John nickte. Es gab Mittel, um Schmerzen zu lindern und Schlaf zu bringen. Marian kannte sie ebenfalls und hatte sie ihm einst mit Gewalt eingeflößt. Die Schmerzen wurden erträglicher, aber die Träume beunruhigender.
»Bilsen wachsen in Eurem Garten.«
»Und roter Mohn, Hanf und Alraune. In den Wäldern wachsen im Herbst die Pilze. Was hat der Mann der Schankmaid angetan?«
»Wein ausgeschenkt, der sie in wirre Träume versetzt hat, sodass sie willig wurde, sich nicht wehren konnte, als er sich an ihr verging.«
»Hat sie Schaden genommen?«
»Nicht körperlichen, doch wurde sie gedemütigt.«
Sybilla ging an den Borden vorbei und ließ den Finger über die Töpfe streifen.
»Der weiß gefleckte Fliegenpilz. Ich zerteile ihn in kleine Stücke und trockne ihn. In Milch aufgeweicht ist er eine Ungezieferfalle.«
»Und in Wein?«
»Verstärkt er den Rausch. Ich habe ihn an einen Mann verkauft, der über eine Fliegenplage in seinem Haus klagte. Ich hätte es wohl nicht tun sollen.«
»Wer war der Mann?«
»Er nannte sich Arndt von Collen.«
»Jung noch, leicht gewellte
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