Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
sie bleiben. Franz hatte geargwöhnt, dass sich die beiden auch das städtische Treiben ansehen wollten, und hatte einigermaßen gutmütig seine Zustimmung gegeben.
Doch dann waren sie nach der vereinbarten Zeit nicht zurückgekommen, und er hatte sich aufgemacht, die Säumigen zu suchen.
Er fand nur seine Schwester bei den Nonnen, und die befand sich in hilfloser Aufregung, weil Luitgard seit dem Vorabend verschwunden war.
Das Stadttor hatten sie erreicht, die Wachen ließen sie mit einem Winken passieren, und Catrin wandte ihre Aufmerksamkeit ihrer jungen Begleiterin zu.
Mit Entsetzen bemerkte sie Lores versteinerte Miene und die fest um die Zügel gekrampften Hände.
»Lore, entschuldige, dass ich so schweigsam war, mir ging so viel durch den Kopf.«
Das Mädchen nickte, klammerte sich aber weiter verbissen an die Zügel. Sacht legte Catrin ihr die Hand auf die Knöchel.
»Halt einen Augenblick an, Lore.«
Gehorsam wurde Jennet zum Stehen gebracht.
»Schau mich an, Liebes.«
Tat sie nicht.
»Lore, was hast du von der Magd erfahren? Es muss ja entsetzlich gewesen sein, was sie zu berichten hatte.«
Lore entzog ihr die Hand und seufzte. Dann zischte sie plötzlich: »Wenn ich den Saukääl treff, dann nehm ich das Hackmetz. Dem schlitz ich den Bauch auf. Wie ene Fisch.« Ein trockenes Schluchzen beendete die mörderische Drohung.
»Was hat der Mann getan?«, fragte Catrin mit ihrer sanftesten Stimme.
»Hätt der Frau Herrin ihren Sohn ersäuft.«
Catrin erstarrte. Dann fasste sie sich und legte Lore den Arm um die zuckenden Schultern.
»Erzähl es mir.«
Und je mehr aus Lore herausbrach, desto heller loderte die Flamme der Wut und des Entsetzens in Catrin auf.
»Warum?«, flüsterte sie schließlich. »Warum bringt jemand ein unschuldiges Kind um?«
»Im Wasser. Man kann da nicht atmen. Ich … Ich muss immer daran denken, wohledle Frau. So ein kleines Balch, und solche Angst …«
Catrin stiegen die Tränen in die Augen. Offensichtlich hatte Lore guten Grund, sich vor dem Wasser zu fürchten. Und sie konnte den elenden Todeskampf des Dreijährigen nachvollziehen. Eng drückte sie das Mädchen an sich und streichelte ihre kurzen, roten Locken.
Sollten sie Merten finden, dann würde sie mit Freuden ebenfalls das Hackmesser führen, schwor sie innerlich. Aber jetzt galt es, die furchtbare Nachricht dem Hauswesen zu überbringen. Sie hatte den Verdacht, dass auch Robert, Marian und John nach Mertens Blut gieren würden.
Sie taten es.
25. Kapitel
D uretta hatte ihr ein warmes Gewand gebracht, dunkelrotes Wolltuch mit ein wenig Stickerei an Saum und Ärmeln, das weit praktischer war als das aufwendige Seidengewand. Vermutlich stellte es eine Belohnung für ihre reuige Einsicht in die Strafe dar, die ihr Vater ihr auferlegt hatte. Am Tag zuvor hatte Alyss ihrer Besucherin erstmals unter Tränen gestanden, dass sie gegen ihre Eltern getrotzt habe.
»Mein Gatte wurde ermordet, Duretta. Und ich war so ohne Trost und Beistand. Ich habe böse Worte gesagt. Das ist mir in den Tagen hier klar geworden.«
»Ja, ja, das passiert in tiefer Trauer, Liebelein. Da verliert man den Glauben an die Güte Gottes schon mal. Und sieht nicht, dass die weisen Eltern guten Rat erteilen. Ich bin sicher, wenn du nun zur Einsicht kommst, dass deine Verirrungen dir und deiner Familie nur schaden, dann wird man dich auch wieder mit liebenden Armen aufnehmen.«
Alyss hatte mit hängenden Schultern leise geschluchzt und um einen Rosenkranz gebeten, damit sie ihre Bußgebete sprechen konnte. Dabei hatte sie so herzzerreißend die Gebrochene gemimt, dass Duretta ihr augenblicklich den Wunsch erfüllte.
Allein gelassen hängte Alyss die Kette aus braunen Holzperlen über den Bettpfosten und verfluchte das aufdringliche Weib von Herzen.
Sie hasste dieses Gaukelspiel, weit lieber hätte sie Duretta niedergerungen, ihr den Schlüssel entwendet und wäre durch diese verdammte Burg nach draußen gestürmt.
Wenn sie nur gewusst hätte, wo sie sich befand und wo sie Hilfe suchen konnte.
Immerhin war ihr inzwischen nochmals bewiesen worden, dass Duretta von jemandem ein höchst eigenartiges Bild von ihrer Familie gezeichnet bekommen hatte. Arndts Tod hatte sie nicht betrauert, auch wenn sie ihm das Schicksal, das ihn ereilt hatte, nicht gewünscht hatte. Eine Trennung wäre ausreichend gewesen, ermordet werden sollte niemand.
Wenn Duretta das nächste Mal erscheinen würde, wollte sie versuchen herauszufinden, was die Entführer
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