Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Wachmänner standen rechts und links von dem rundlichen Mann, der völlig aufgelöst schien.
»Ihr verteidigt Euch sehr heftig, Pfandleiher Ambrosio. Man möchte fast meinen, dass ein schlechtes Gewissen hinter Euren Beteuerungen lauert«, sagte er und sah ihn streng an.
»Ich bin ein redlicher Händler, Signore. Ich führe Buch. Über alles, was ich beleihe und verkaufe.«
»Dann werdet Ihr Euch auch an jeden Kunden erinnern, der Euch etwas von Wert anzubieten hat, nehme ich an.«
»Jeden einzelnen, Signore. Jedes Haar jedes einzelnen ist mir im Gedächtnis.«
Schweiß glänzte auf Ambrosios Stirn, und Marian sah ihm kalt in die Augen.
»Das Gewand, der Gürtel und der Siegelring. Wer brachte es zu Euch?«
»Welches Gewand, Signore?«
Marian, der in Venedig die Sprache der Händler recht fließend gelernt hatte, wechselte in diese und fauchte den Pfandleiher ungeduldig an.
»Ihr erinnert Euch genau an jeden einzelnen Eurer Kunden, und meine Freunde zu belügen habt Ihr schon einmal versucht. Möchtet Ihr, dass Master John Euch noch einmal aufsucht?«
Ambrosio erbleichte.
»Da habe ich nur etwas verwechselt, Signore. Nur verwechselt.«
»Wer also brachte Gewand, Silbergürtel und Siegel zu euch?«
»Ein Mann, Signore, den ich vorher nie sah und danach auch nicht wieder.«
»Wie hieß er?«
»Weiß ich nicht, weiß ich nicht.«
»Aber Ihr führt Buch.«
»Ja, ja, ja, alles korrekt.«
»Wie habt Ihr Euren Handel mit ihm vermerkt?«
»Ich habe ihn beschrieben, Signore, beschrieben, mit Worten. Sein Ohr, Signore, und die derben Kleider. Und alles.«
»Würdet Ihr ihn wiedererkennen?«
»Bestimmt, Signore. Aber er war nie wieder da.«
Marian gab dem Turmmeister einen Wink, der öffnete den Riegel der Kerkertür. Ambrosio heulte auf. Die Wachmänner schoben ihn in den Raum. Hier unterhielt sich Magister Jakob leise mit dem Schreiber, der Gefangene hockte dösend an der Wand.
Ambrosio hörte auf zu heulen und starrte ihn an.
»Das ist der Verbrecher«, keuchte er. »Das ist er, der mir das Gewand seines Weibes angedreht hat. Gutes Silber gab ich dafür.«
»Gebt zu Protokoll, wie das Geschäft ablief, Ambrosio«, sagte der Notarius trocken, und mit vielen leidenschaftlichen Worten schilderte der Pfandleiher jene Transaktion.
Marian nickte schließlich. So weit sagte der Pfandleiher die Wahrheit, wenn auch Seitz keinerlei Regung zeigte. Als der schmierige Jammerlappen endlich aufgehört hatte zu reden, dankte er ihm kurz und empfahl ihm, fürderhin seine Kundschaft besser auszusuchen. Die Wachen führten ihn fort, und Marian bat den Turmmeister: »Das viele Reden macht den Mund trocken. Lasst uns einen Krug Wein bringen, wenn Ihr so gütig wäret.«
Magister Jakob sah ihn fragend an, doch Marian schüttelte nur unauffällig den Kopf.
Der Krug wurde gebracht, und Marian selbst schenkte ein. Der Becher, den er dem Gefangenen reichte, enthielt die Tropfen von Trine. Seitz griff gierig danach und stürzte den Wein hinunter. Die anderen tranken langsamer, und Marian befragte den Notarius zu den Missetaten von Pfandleihern, was dieser mit einem tonlosen Sermon beantwortete. Der Turmmeister wollte einschreiten, aber offenbar hatte Magister Jakob erkannt, für welches Vorgehen Marian sich entschieden hatte. Er winkte ab und fuhr mit seiner einlullenden Rede fort. Es verging nicht allzu lange Zeit, und der Gefangene begann unruhig hin und her zu rutschen.
»Seitz?«, sprach Marian den Mann plötzlich an. Wieder reagierte er auf diesen Namen. »Ihr kennt doch Herrn Constantin vamme Thurme.«
»Hä?«
»Und von der Zauberschen, der Sybilla, habt Ihr auch schon gehört.«
»Kenn keine Zauberschen.«
»Nein, Seitz, aber sie kennt dich. Glaubst du nicht auch, dass Herr Constantin zu ihr gegangen sein könnte? Du hast seinen Dienst verlassen, Seitz. Er war böse deshalb. Die Sybilla kennt sich gut mit Flüchen aus …«
Er ließ das einen Moment einwirken, und der Gefangene bewegte sich immer unruhiger. Das Mittel schien seine Wirkung zu entfalten. Darum fragte Marian nach einer Weile weiter: »Woher hattest du die Kleider, die du Ambrosio verkauft hast?«
»Ham wir dem Weib ausgezogen.«
»Dem Weib auf dem Karren?«
»Hat der Mann uns gesagt. War ein lecker Weib. Durften wir aber nicht ran.«
Es waren nur noch wenige Anstöße in die richtige Richtung nötig, und Seitz konnte nicht mehr aufhören zu plappern. Gebannt lauschten der Turmmeister, der Schreiber, der Notarius und Marian seinem immer
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