Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Ich werde mich persönlich um ihn kümmern.«
»Danke, Vater Lodewig. Sollte er auch hier sein Unwesen treiben, zögert nicht, uns umgehend davon in Kenntnis zu setzen.«
»Dein Vater – er hat sich seiner noch nicht angenommen?«
»Meinen Vater belaste ich mit derartigen Sorgen nicht.«
»Aber mich?«
Vater Lodewig grinste. Und Marian erwiderte dies mit einem Lächeln.
»Ich danke Euch dafür.«
»Dann geh mit Gottes Segen, Junge. Und kümmere dich um deine Schwester. Ich bete für euch.«
Marians nächster Gang führte ihn in die Huhnsgasse, wo der Scharfrichter der Stadt Köln ein Haus bewohnte. Drei Monate lang hatte er bei dem Henker die anatomia gelernt – Hans Scherfgin war nicht nur ein Meister darin, Knochen zu brechen, sondern wurde auch immer dann gerufen, wenn es Knochen einzurenken oder gebrochene Glieder zu richten galt. Dies geschah mit dem natürlichen Grauen der Patienten, doch stets zu deren Vorteil. Marian hatte ihm etliche Male assistiert und ein gewisses Verständnis für den Beruf des Tötens erlangt. Was Sybilla Frieder und John berichtet hatte, bestätigte, was er von Meister Hans wusste. Er beendete die Qualen der Verurteilten, wenn er dafür bezahlt wurde.
Die Haushälterin öffnete Marian auf sein Klopfen, erkannte ihn und brachte ihn in den Garten im Hof, in dem der Scharfrichter eben dabei war, die Äste eines Baumes am Spalier aufzubinden.
»Gehilfe?«
»Meister!«
»Ein seltener Besuch. Ist ein Unfall geschehen?«
»Nein, eine Frage zu Eurer Arbeit bringt mich her.«
»Wem wollt Ihr den Kopf abschlagen?«
»Einigen, doch nicht ohne Urteil. Ihr habt vor zwei Wochen einen jungen Räuber in Mülheim hingerichtet und für Eure Gnade Gold bekommen. Wer war der Bursche?«
Der Henker band Bast um einen Trieb und ließ dann die Hände sinken.
»Kein Bursche, Gehilfe, sondern ein Mädchen. Sie hat sich einem Straßenräuber angeschlossen, dessen Schar einen Händlerzug überfiel. Der aber wurde von einem Trupp Gewappneter begleitet, der die Räuber überwältigte. Die Überlebenden wurden zum Tod durch das Rad verurteilt. So auch das Mädchen.« Meister Hans betrachtete seine Hände. »Manche Urteile dienen der Abschreckung.«
»Das Kind war unschuldig …«
»Unschuldig nicht, doch verführt. Ihr Tod kam schnell und schmerzlos, doch die Angst davor konnte ihr niemand nehmen. Auch die Mutter nicht. Warum verlangtet Ihr diese Auskunft?«
»Der Glaubwürdigkeit ihrer Mutter wegen. Ihr habt sie bestätigt.«
»Dann geht jetzt.«
Marian verbeugte sich höflich. Er nahm es dem Scharfrichter nicht übel, dass er ihn so bald des Hauses verwies. Man verkehrte nicht mit dem Mann des Todes.
Das Hauswesen hatte sich wieder versammelt, als er eintraf, auch Gislindis und Magister Jakob waren hinzugekommen.
»Auf ein Wort«, sagte der Notarius, als sie den Saal betraten.
»Ich höre.«
»Man hat im Frankenturm einen Mann festgesetzt, der erwischt wurde, wie er in das Haus der Witwe Ketwich einstieg. Das Weib, hochbetagt, schlug ihm ihren Gehstock über den Kopf und schrie Zeter und Mordio. Nachbarn überwältigten den Mann. Wie es heißt, hat er ein hässlich deformiertes Ohr.«
»Habt Ihr den Mann aufgesucht?«
»Nein, Herr Marian. Aber vielleicht sollte es einer von den hier Anwesenden tun.«
»Später. Er wird wohl nicht weglaufen. John, Vater Lodewig nimmt Lucien auf. Bringst du ihn zum Kloster?«
»Später. Er wird ebenfalls nicht weglaufen. Die Kammer ist versperrt.«
»Gut, dann tragen wir zusammen, was wir über die Gefangenschaft meiner Schwester wissen.«
John, Robert, Cedric und Frieder wechselten sich ab, und es entstand für die Zuhörer ein Bild von dem Rittergut und seinen Bewohnern.
»Wir müssen Mistress Alyss eine Botschaft zukommen lassen, damit sie weiß, dass wir sie entdeckt haben. Cedric, würdest du noch einmal Einlass finden?«
»Ich kann es versuchen. Ich brauche eine neue Geschichte.«
»Es hat aber offensichtlich nur diese Duretta Zutritt zum Turm.«
»Und mindestens eine Magd. Die, mit der ich … sprach.«
»Sprach? Oder mit der du getändelt hast?«, fragte Frieder.
»Sie mochte Kosen …«
»Jung und hübsch, youngling ?«
» A sweetheart. « Cedric lächelte.
»Sybilla sprach von der Madelin, die Küchenmagd dort ist«, sagte Frieder.
»Madelin, das war ihr Name.«
»War sie nur niedlich oder auch klug?«, wollte Marian wissen.
Cedric überlegte kurz, suchte nach Worten und schüttelte dann den Kopf.
»Sweet and vain.«
»Süß
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