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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Leben lang kannte. Das war nicht irgendein Körper, das war Lua! Er zauderte, dann gab er sich einen Ruck und griff ihr beherzt an den Busen.
    »Aber Dom Felipe!«, rief Lua aus und stieß seine Hand fort.
    »Tu doch nicht so zimperlich«, sagte er und zog sie unsanft an sich. »Weiß doch inzwischen jeder, dass du im Hurenhaus warst – und es ist ja nicht schwer, sich vorzustellen, was sie da mit dir gemacht haben. Da wirst du doch deinem Senhor dieselbe Gunst gewähren.« Felipe hatte seine anfänglichen Hemmungen nun vollends verloren. Luas Gegenwehr hatte ihn noch geiler gemacht, und nun wollte er sich endlich nehmen, was ihm schon lange zustand.
    »Nein!«, schrie Lua, als er ihren Rock hochschob.
    Es hätte gar nicht ihres flehenden Blickes in die Baumkrone bedurft, um Zé zum Handeln zu bringen. Er ließ sich auf Felipe fallen und krallte sich knurrend in ihm fest, wie es ein wildes Tier mit seiner Beute getan hätte.
    »Du!«, entfuhr es dem vor Schreck wie gelähmten Fazendeiro, als er einen Blick auf seinen Angreifer erhaschte. Mehr sah er nicht. Denn mit einem gezielten Faustschlag setzte Zé seinen ehemaligen Besitzer außer Gefecht.
    Felipe lag bewusstlos am Boden.
    »Komm«, forderte Zé Lua auf, die entgeistert den Kopf schüttelte. Sie konnte doch nicht abermals eine so überstürzte Flucht antreten. Was dabei herauskam, hatte sie ja nun schmerzlich zu spüren bekommen.
    »Du kannst hier nicht bleiben. Komm schnell mit mir. Ich habe alles dabei, was wir unterwegs benötigen. Mit ein wenig Glück dauert es noch eine Stunde oder sogar mehr, bis Dom Felipe wieder zu sich kommt oder bis er gefunden wird. Bis dahin sind wir über alle Berge.« Aus Zés Worten sprach mehr Zuversicht, als er empfand. Eine Stunde war äußerst knapp, erst recht, wenn man die Hunde auf sie losließ. Aber bleiben konnten sie hier auf keinen Fall.
    Lua gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Benommen nickte sie.
    »Also gut.«
    Erstmals lächelten sie einander an.
    Dann rannten sie.

29
    Z é lief voran. Er kannte den Weg nach Três Marias besser als Lua, und das Gelände der Nachbarfazenda war ihm ohnehin in allen Einzelheiten vertraut. Er wusste, dass sie nur eine Chance haben würden, wenn sie Kaltblütigkeit an den Tag legten, und so überlegte er sich während des überhasteten Laufs, wie sie sich am besten in Sicherheit bringen konnten. Dabei schlichen sich immer wieder Gedanken in seinen Kopf, die er jetzt gar nicht gebrauchen konnte.
    Wie Lua aussah, hatte ihn, als er sie zuerst erblickte, zutiefst verstört: mager, verhärmt und unglücklich. Er musste sich verbieten, sich ihre Erniedrigungen vor Augen zu führen, die offenbar darin gipfelten, dass sie in einem Freudenhaus gelandet war. Als er oben im Baum die Worte des Dom Felipe vernommen hatte, war ihm vor Wut und Bestürzung fast schwarz vor Augen geworden. Dennoch konnte Zé es sich im Moment nicht leisten, seinen Gefühlen nachzugeben und Lua Trost zuzusprechen. Es ging um alles. Es ging um Leben oder Tod.
    Ein Plan, der so verwegen war, dass er wahrscheinlich gelingen würde, schoss ihm durch den Kopf. Dafür war es allerdings entscheidend, dass auch Lua Ruhe und Skrupellosigkeit an den Tag legte. Ob sie dazu in der Lage wäre, nach allem, was sie durchgemacht hatte?
    Er hielt inne. Lua tat es ihm nach. »Was ist?«, fragte sie ängstlich.
    »Ich habe eine Idee. Dafür ist es unerlässlich, dass du deine Rolle als treue Sklavin Lua perfekt spielst. Traust du dir das zu?«
    Lua nickte. Sie sah Zés Miene an, dass er ihr nicht wirklich glaubte. »Ganz bestimmt!«, bekräftigte sie ihr Nicken.
    »Gut. Wir werden nämlich zurück zur Casa Grande von São Fidélio laufen. Dort werden wir uns die Kutsche nehmen. Einfach so, ohne großes Tamtam, als sei es das Natürlichste von der Welt. Dass du flüchtig bist, weiß noch niemand. Und dass ich hier bin, ahnt ebenfalls keiner. Außerdem sehe ich anders aus als bei meiner Flucht – mit ein wenig Glück nimmt mich gar keiner zur Kenntnis. Den Kutscher müssen wir leider ausschalten, aber mehr als eine dicke Beule wird er schon nicht erleiden müssen. Oder wir nehmen ihn mit und lassen uns von ihm fahren.«
    »Das ist … verrückt! Es wird niemals klappen!«
    »Doch, das wird es! Weil kein Mensch glaubt, dass wir so dreist sein könnten. Wir werden in aller Gemütsruhe über die Hauptstraße fahren, und ich weiß einen Ort, an dem wir uns vorübergehend verstecken können, bevor wir nach Liberdade

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