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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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seiner Beziehung zu ihrer Mutter. Aber konnte man sie deshalb als seine Tochter bezeichnen? Wohl kaum. Wenn die Neger sich vermehrten, dann war das mehr wie bei Tieren. Sein kostbarer weißer Samen war zufällig auf fruchtbaren Boden gefallen, mehr nicht. Das hatte rein gar nichts mit dem zu tun, was zwischen Eheleuten passierte, die den Segen der heiligen Mutter Kirche besaßen.
    Aber nun, da Lua in Kürze fortgehen würde, mochte Dom Felipe sich nicht länger um sein Vorrecht als Fazendeiro betrogen wissen. Dom Afonso und dessen nichtsnutziger Sohn, sein eigener Schwiegersohn Rui Alberto, würden doch dasselbe tun! Und bevor sie alle das Mädchen bestiegen hatten, eine Vorstellung, die Felipe gleichermaßen beunruhigte wie erregte, würde er sich mit ihr vergnügen. Und zwar jetzt gleich.
    Im Übrigen war es ja nicht so, als sei sie noch unschuldig. In einem Freudenhaus hatte man sie gehalten … und wer weiß, vielleicht hatte sie dort ja etwas gelernt, ein paar schmutzige Dinge, die er von seiner Gattin niemals verlangen konnte. Felipe erschauderte vor Vorfreude auf die Genüsse, die ihn erwarteten. Die Gelegenheit war günstig. In der Casa Grande war es ungleich schwieriger gewesen, lange genug mit dem Mädchen allein zu sein. Aber hier draußen, am Waschhaus, bestand kaum die Gefahr, dass seine Frau oder seine Kinder zufällig vorbeikamen. Die anderen Sklaven würde er einfach fortschicken, und was sie davon halten mochten, war ihm herzlich egal.
    Er sah Lua schon von weitem. Er blieb einen Augenblick stehen, um ihren Anblick und die Freuden, die er verhieß, zu genießen. Zum Anbeißen war sie, selbst jetzt, da sie in einfachster Kleidung und mit mürrischem Gesicht in der Sonne stand und Laken auswrang. Die andere Sklavin, die ihr dabei half, war ein gewöhnliches Ding. Es lagen Welten zwischen diesen beiden jungen Frauen. War es eine Sünde, dachte Felipe mit einem kurzen Anflug von Gewissensbissen, eine schöne und kluge junge Frau solche primitiven Arbeiten verrichten zu lassen, die ihre zarte Haut angriffen und ihren Geist beleidigten? Nun ja, dachte er, vielleicht war es das. Aber das alles hatte Lua sich selbst zuzuschreiben. Sie hätte ja nicht ausreißen müssen, als man ihr einen unausgesprochenen Wunsch erfüllen wollte. Undankbares Stück! Der würde er es schon zeigen!
     
    Lua bemerkte das Nahen von Dom Felipe nicht. Sie ärgerte sich über die Ungeschicklichkeit der anderen Wäscherin, einer offensichtlich schwachsinnigen jungen Frau, der man nichts anderes an Arbeit zutraute als das Auswringen von großen Stoffbahnen. Denn stark war sie, die Einfältige.
    »Pass doch auf, du dumme Kuh!«, fuhr sie die andere an. »Die Enden hängen ja schon auf der Erde!«
    »Tut mir leid, Lua.«
    »Und sag nicht andauernd: ›Tut mir leid, Lua‹! Das macht mich wahnsinnig.«
    »Tut mir leid, Lua.«
    Lua hätte das Mädchen am liebsten umgebracht. Aber so viel Verstand hatte sie sich noch bewahrt, dass sie um die Unschuld der Ärmsten wusste. Nicht die Einfältige war schuld an Luas Misere, sondern sich selbst hatte sie ihre Lage zuzuschreiben, ganz allein sich selbst. Sie war ja noch blöder gewesen als die Einfältige, als sie einfach fortgelaufen war, ohne auch nur einen Moment über die Folgen nachzudenken!
    Viele Wochen lag das nun zurück, und allmählich erschien Lua das Leben, das sie vorher in der Casa Grande geführt hatte, vollkommen unwirklich. Man hatte sie auf die Zuckerrohrfelder und in die Maniokpflanzungen geschickt, man hatte sie Hühner rupfen, Fische ausnehmen und Schweineställe ausmisten lassen – aber der bisherige Tiefpunkt war eindeutig die Wäscherei. Und sie hatte sich noch darauf gefreut, als man ihr eröffnete, sie müsse nicht länger im Schweinekot wühlen! Pah!
    Das Waschen gehörte zu den härtesten und undankbarsten Arbeiten überhaupt. Lua hatte ja keine Ahnung gehabt! Von der aggressiven Lauge wurden ihre Finger ganz wund, und wenn sie lange genug über dem Topf mit der Kochwäsche gehangen und gerührt hatte, waren ihre Augen blutunterlaufen. Scheußlich waren auch die Verschmutzungen, die es zu entfernen galt. Die Leibwäsche der Oliveiras gehörte ebenso dazu wie das Bettzeug, die Tischwäsche und sogar die Monatsbinden der weiblichen Familienmitglieder. War es denen denn gar nicht peinlich, all ihre mit Körperflüssigkeiten getränkten Textilien einer Sklavin zum Waschen zu geben? Anscheinend nicht.
    Wenn noch der Hauch eines Flecks zu sehen war, musste man diesem

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