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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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mit Bleiche zu Leibe rücken, auch das eine Arbeit, die für Haut und Atemwege überaus strapaziös war. Ferner mussten natürlich die gewaschenen Stücke getrocknet, gestärkt und geplättet werden, und es grenzte an ein Wunder, dass man all dieser Wäscheberge irgendwie Herr wurde, obwohl nicht weniges durch Herunterfallen von der Leine, durch herabfallende Blüten, durch Vogelkot oder durch spielende Kinder wieder verschmutzt wurde, noch bevor es getrocknet war.
    Oder durch tobende Affen. Die Wäscheleinen waren zwischen den Obstbäumen gespannt, die sich auf einer Fläche südlich des Gemüsegartens befanden. Da gab es neben Kokospalmen und Kakaobäumen auch Cajú-, Mango- und Papayabäume, und die Früchte waren bei den Affen nicht minder beliebt als bei den Menschen. So turnten sie häufig durch die Zweige, bedienten sich mal hier, mal dort, und man musste sie schon gewaltsam vertreiben, wenn man nicht die ganze Ernte einbüßen wollte.
    Als Lua jetzt dort stand, mit der Einfältigen ein Laken glatt zerrte, damit sie es möglichst gerade aufhängen konnten, und sie die Zipfel des Wäschestücks in der rotsandigen Erde hängen sah, hatte sie keinerlei Augen für das, was um sie herum geschah. Einzig die Wäsche fesselte ihre Aufmerksamkeit, insbesondere, da andauernd unreife Cajú-Früchte auf das Laken fielen und es zu beflecken drohten. Sie befanden sich gar nicht unter einem Baum! Es konnten nur die Affen sein. Dann landete plötzlich eine kleine, harte, unreife Cajú-Frucht auf ihrer Stirn. Das war doch wohl die Höhe! Diese Biester wurden immer dreister.
    Sie war sich sicher, dass es ein freches
mico-saguí
-Äffchen war, das im nächsten Baum hockte und sie ärgerte. Sie reichte der Einfältigen ihre Seite des Lakens, um den Störenfried zu finden. »Halte das mal kurz, ich schau mal im Cajú-Baum nach, wer uns die ganze Zeit piesackt.«
    Sie ließ ihren Blick durch die dichtbelaubte Krone schweifen. Und was sie dort entdeckte, ließ sie beinahe vor Schreck – und Freude – aufschreien: Zé schmiegte sich an einen Ast, so elegant und gekonnt und durch farblich passende Kleidung so perfekt getarnt, dass ihn nur bemerkte, wer genau hinsah.
    Er war zurückgekehrt.
    Lua musste ihre gesamte Willenskraft aufbringen, um nicht laut zu jubeln. Zé gab ihr Zeichen, sie möge still sein, und deutete auf jemanden, der sich zu nähern schien, den aber nur er aus der Höhe seines Verstecks kommen sah. Lua schaute sich um, sah aber niemanden außer der Einfältigen.
    »Was ist denn da oben, Lua?«, fragte diese nun.
    »Ach, nichts. Wie ich es mir schon dachte: nur ein freches
mico-saguí

    »Soll ich dir helfen, es zu verjagen?« Das dumme Mädchen war leider auch noch freundlich.
    Lua verdrehte die Augen. »Damit werde ich gerade noch allein fertig.« Es durfte unter keinen Umständen jemand einen Blick in die Baumkrone werfen, sonst wäre es um Zé geschehen.
    »Womit wirst du fertig?«, hörte sie plötzlich die Stimme des Senhors.
    Lua drohte vor Entsetzen die Luft wegzubleiben. Auch das noch! Musste sich Dom Felipe, der sonst nie in der Nähe des Waschhauses zu sehen war, ausgerechnet den heutigen Tag für seine Erkundung aussuchen? Was für ein Pech!
    »Was ist? Hat es dir vor Schreck die Stimme verschlagen?«, fragte er.
    »
Sim, Sinhô
, ich meine, nein, Senhor, Ihr habt mich nicht erschreckt.« Ihr Herz schlug so heftig, dass sie meinte, den eigenen Brustkorb beben zu sehen.
    »Na, dann ist es ja gut. Ich wollte nämlich ein paar Worte mit dir unter vier Augen wechseln.«
    »Oh.« Das kann nichts Gutes bedeuten, dachte Lua. Sicher erhielt sie jetzt Anweisungen, wie sie sich auf Três Marias zu verhalten habe, oder aber neuerliche Vorhaltungen über ihren groben Undank.
    »Du da«, damit zeigte Dom Felipe auf die Einfältige, deren Namen anscheinend niemand kannte, »geh weg. Mach eine Pause am Fluss. Und lass dir Zeit.«
    »
Sim, Sinhô
«, flüsterte das eingeschüchterte Mädchen und suchte augenblicklich das Weite.
    Dom Felipe musterte Lua eindringlich. Er ließ seinen Blick über ihre nackten Füße und Waden schweifen, verharrte kurz an der Rundung der Hüften, bewunderte die schlanke Taille und betrachtete dann ausgiebig ihr Dekolleté. Ins Gesicht schaute er ihr nicht. Ein bisschen mulmig war ihm nun doch. Es war eine Sache, sich auszumalen, wie es wäre, eine widerspenstige Sklavin zu besteigen. Es war aber etwas ganz anderes, einem Mädchen aus Fleisch und Blut gegenüberzustehen, das er sein

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