Das Lied des Kolibris
knickste und beglückwünschte mich schon für meine offensichtlich richtige Vorgehensweise, als er mir blitzschnell seine kleine Reitgerte über die Wange zog. Entsetzt wich ich vor ihm zurück und hielt mir die Wange, die blutete.
»Negerweiber sind hier nicht willkommen. Schon gar keine entlaufenen Sklavinnen.«
»Aber Sinhô, Kasinda sein freie Negerfrau!«, beteuerte ich, doch mein Herz pochte so heftig, dass es weh tat.
»Du bist genauso frei wie dein Mann. Du hast nämlich die Wahl: Entweder schicke ich dich zurück zu deiner Fazenda und kassiere den Finderlohn, oder du bleibst hier und arbeitest für mich.«
»Kasinda sein freie …«
Abermals traf mich seine Reitgerte, diesmal an der Schulter, wo sie ein klaffendes Loch in meine Bluse riss.
»Halt’s Maul, du Wilde!«, schrie er. Dann schlug er wieder zu, so lange, bis mir Bluse und Rock in Fetzen vom Leib hingen und ich mit den Armen meine Blöße bedecken musste. Ich konnte nicht fassen, dass ein Schwarzer einem anderen Schwarzen so etwas antun konnte. Natürlich hatte es auch in Afrika Fehden unter den verschiedenen Stämmen gegeben, aber hier in der Fremde hätten wir doch zusammenhalten müssen, oder nicht?
»Brauchst dich gar nicht so anzustellen. Dein welkes Fleisch will eh keiner mehr sehen«, beleidigte er mich weiter.
Der Trupp mit den Minenarbeitern war unterdessen weitergezogen, so dass wenigstens Muhongo nichts von diesem Zwischenfall mitbekam. Er wäre sicher eingeschritten und hätte damit seinen Kopf riskiert.
»Du kommst mit mir mit. In meinem Haus kann ich eine wie dich schon irgendwie beschäftigen«, befahl der Schinder.
»Aber Kasinda sein Magd von Sopa, können nicht …«
»Und wie du kannst! Sopa wird dich ohne weiteres gehen lassen, verlass dich drauf.«
Genauso war es dann natürlich auch. Der Schinder hatte so viel Macht, dass niemand sich gegen ihn aufzulehnen wagte, schon gar nicht, wenn es um etwas derartig Unbedeutendes wie eine alte Negerin ging, die als Handelsware längst ausgedient hatte.
Ich wurde im Haushalt des Schinders für die niedrigsten Arbeiten eingesetzt. Ich musste Nachttöpfe leeren und Spucknäpfe säubern. Aber eines wenigstens hatte ich erreicht: Ich war dem Feind so nahe gekommen, dass ich ihn, wenn er auch nur eine Sekunde lang unachtsam war, würde vernichten können. Ich war, wie die Christen es nannten, in die »Höhle des Löwen« vorgedrungen.
Der Schinder bemerkte nichts von meinem schwelenden Hass. Er benahm sich zu Hause wie ein Gutsherr, auch wenn seine Behausung nicht einmal den Standard unserer alten Senzala hatte und seine Sklaven ein erbärmlicher Haufen ehemaliger Verbrecher oder Huren waren. Dass es irgendjemandem in den Sinn kommen konnte, sich seinen Wünschen zu widersetzen, war für den Schinder undenkbar. Er ging wie selbstverständlich davon aus, dass er der Größte und Stärkste war und alle anderen sich ihm freiwillig unterwarfen. Er stellte eine Unbekümmertheit zur Schau, die mich zur Weißglut trieb. Abends lümmelte er in einem abgewetzten Sessel herum, der schon bessere Tage gesehen hatte, ließ sich von einer ehemaligen Dirne die Füße massieren und von einem ungehobelten Feldsklaven Schnaps servieren. Er rülpste und furzte nach Belieben, denn eine Ehefrau, die ihm Manieren beigebracht hätte, gab es anscheinend nicht. Er holte sich gelegentlich eine der Huren ins Bett, obwohl er doch sicher hübschere und jüngere Frauen hätte haben können.
»Er verprügelt uns«, gestand mir eine seiner Dirnen, nachdem ich schon wochenlang im Haushalt des Schinders beschäftigt war und mich allmählich mit dem anderen »Personal« anfreundete. »Damit es keiner hört, knebelt er uns vorher.« Sie erzählte es mir in nüchternem Ton, nicht anders, als hätte ich ihr berichtet, dass ich einen toten Papagei vor dem Haus aufgelesen hatte. »Zweimal im Jahr reitet er nach Salvador und gönnt sich eine der Edelhuren, solche vom Schlag einer Nzinga.«
»Wie?«, fragte ich, vollkommen versteinert.
»Ach, nichts. Du hast ja ein schönes Leben auf einer Fazenda gehabt. Aber wir Straßenhu …«
»Wie hieß Frau? Nzinga?«
»Genau. Warum, kennst du sie?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sie ist eine Schönheit. Es heißt, sie habe magische Kräfte über die Männer. Ich selber habe sie nur ein einziges Mal gesehen, aber ihre grünen Mandelaugen werde ich nie vergessen. Kein Wunder, dass die Kerle verrückt nach ihr sind.«
»Hat komisch Name, nicht?«, forschte ich weiter. Wie
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