Das Lied des Kolibris
miteinander turtelt, dann setzt es was hinter die Ohren, ist das klar?«
»Ja, Sinhazinha.«
»Ihr lest den Gästen jeden Wunsch von den Augen ab, nicht wahr, Fernanda?«
»Natürlich, Sinhazinha.«
»Ihr sorgt dafür, dass alles reibungslos läuft und dass kein Gast jemals ohne etwas zu trinken ist, stimmt’s, Lulu?«
»Aber selbstverständlich, Sinhazinha, Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Sinhá Eulália.«
Lulus Antwort ärgerte Lua maßlos. Genauso gut hätte er sagen können: »Alle anderen Sklaven taugen nichts, aber auf
mich
ist immer Verlass.«
»Sehr schön«, fuhr die junge Herrin fort. »Ihr werdet nämlich besondere Festtagsgewänder anziehen, die wir dieser Tage anfertigen werden. Dass ihr mir also nicht kichert, wenn ihr einander anschaut oder ihr euch im Spiegel erblickt. Ihr denkt nur an eure Pflichten.«
»Sehr wohl, Sinhazinha«, antworteten die drei im Chor.
Diese »Festtagsgewänder« waren, wie sich wenige Tage später herausstellte, buntbemalte Tücher mit wilden Mustern, die die Sklaven sich umwickeln sollten. Sie sahen darin aus wie die Hottentotten, und genau das war auch der Zweck. »Wir wollen unserer Feier eine afrikanische Anmutung geben«, hatte die Sinhazinha erklärt. Passend zu den Wickelkleidern sollten die Schwarzen Turbane tragen sowie eine Menge Halsreifen, die die Bewegungsfreiheit ihrer Köpfe stark einschränkten. Die Männer sollten sich ebenfalls Tücher umhängen, und zwar so, dass sie nur auf einer Seite verknotet wurden und die andere Seite der Brust freilag. Ihre Gesichter wurden mit einer Art Kriegsbemalung verziert, und hätte man die Männer nicht zu Arbeiten eingesetzt, für die sie nun einmal beide Hände brauchten, hätte man sie sicher noch mit Speeren oder anderem Firlefanz ausstaffiert.
Obwohl sie ausdrücklich das Kichern verboten bekommen hatten, konnten sie nicht umhin, sich gegenseitig klammheimlich mit hämischen Blicken zu bedenken. Sie fühlten sich veralbert. Außerdem fiel es ihnen schwer, sich normal zu bewegen. Bei diesen Wickelkleidern hatte man andauernd das Gefühl, dass sich die Stoffbahn irgendwo löste, so dass sie an sich herumzupften und Zipfel feststeckten. Trugen die Afrikanerinnen wirklich solche Kleider? Wie gelang es ihnen bloß, sich darin wohl zu fühlen? Nun, vielleicht war es nur eine Sache der Übung. Lua würde ja einmal Imaculada danach fragen können. Himmel, nein!, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie durfte nicht wieder mit der Alten gesehen werden, wenn sie sich von jedem Verdacht reinwaschen wollte.
Die Kapelle, die für die Tanzmusik sorgen sollte, trat ebenfalls in afrikanischer Tracht auf – oder jedenfalls in Sachen, die man dafür hielt. Es waren alles Arbeiter von São Fidélio, keine professionellen Musiker. Doch sie beherrschten ihre Instrumente sehr gut. Oft spielten sie abends vor der Senzala auf ihren primitiven
berimbaus
,
caxixis, agogos
und
atabaques
, und es war erstaunlich, welche Vielzahl an Tönen sie ihren selbstgebauten Trommeln und Rasseln, Saiteninstrumenten und Glocken, Flöten und Pfeifen entlocken konnten. In der Casa Grande durften sie auf kostbaren Stücken spielen, die man aus Europa importiert hatte, und trotz mangelnder Erfahrung musizierten sie sehr harmonisch auf den ungewohnten Instrumenten. Es gab im Herrenhaus zwei Violinen, ein Cello, ein Fagott und sogar ein Cembalo, auf denen man sie vor Festen gelegentlich üben ließ.
Für den afrikanischen Abend aber war es durchaus erwünscht, dass die Musiker ihre eigenen Instrumente mitbrachten und die Gäste mit Rhythmen unterhielten, die man sonst für ein wenig anstößig hielt. Dazu sollte eine Gruppe von Tänzern auftreten, angeführt von Zé. Auch sie waren als Afrikaner verkleidet, wobei das »Kostüm« mehr aus nackter Haut als aus Stoff bestand.
»Ist er nicht herrlich, mein rebellischer Sklave?«, rief Eulália entzückt aus, als sie Zé bei der Probe im Salon zusah.
»Hm, ja, er tanzt nicht schlecht«, gab Lua zu. Was hätte sie anderes machen sollen? Ihn als schlechten Tänzer verunglimpfen? Das hätte ihr niemand abgenommen, denn der Mann war ein wahrer Körperkünstler. Ihn aber zu sehr zu loben wäre ihr womöglich zu ihrem Nachteil ausgelegt worden.
»Nicht schlecht?« Die Sinhazinha verdrehte die Augen. »Er ist ein Gott, Lua! Schau nur genau hin, da, sieh dir das an. Hast du schon mal jemanden gesehen, der einen solchen Spagat im Stehen machen kann? Der ein Rad schlägt, ohne dabei seine Hände zu Hilfe zu
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