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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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zwar noch, so dass man außerhalb des Salons glauben musste, die Probe ginge weiter, aber Zé und auch die anderen Tänzer waren von dem Podest gesprungen, das die Bühne darstellte. Zé schlenderte lässig durch den Salon und betrachtete schmunzelnd die Einrichtung. Soviel Lua wusste, war er als Feldsklave nie zuvor in dem Herrenhaus gewesen, so dass ihm all die Gemälde sowie die mit Silber und Porzellan gefüllten Vitrinen exotisch vorkommen mussten. Er blieb vor einer Bodenvase stehen, die ihm beinahe bis zu den Hüften reichte, und strich vorsichtig über ihren gezackten Rand.
    »He, du dreckiger Feldneger«, rief da Lulu, »lass deine Finger gefälligst von der Kristallvase der Sinhá Ines!«
    Zé zuckte nicht zusammen, er blickte nicht einmal auf. Er fuhr seelenruhig in der Bewunderung dieses erlesenen Stücks fort, das sie anlässlich der Feier mit blühenden Ipê-Zweigen füllen würden – sofern der Dekorateur nicht andere Wünsche hatte.
    Lulu ärgerte sich über Zés offensichtliche Missachtung seiner Autorität, doch er hatte nicht den Mumm, ihn schärfer anzugehen. Es mochte Zés höheres Alter sein, vielleicht aber auch seine Ausstrahlung von Stärke und Stolz, die Lulu daran hinderte, den Rangniederen von seinem respektlosen Tun abzuhalten. Lua hatte einen kurzen Moment lang sogar Mitleid mit Lulu, der ohne Gesichtsverlust nun nicht mehr aus dieser Sache herauskäme. Er musste sich durchsetzen, vermochte es jedoch nicht. Also schritt Lua ein.
    »Zé, bitte rühr hier nichts an. Wenn irgendetwas kaputtgeht, werden wir Haussklaven dafür bestraft.«
    Er bedachte sie mit einem halb spöttischen, halb anzüglichen Blick, bei dem ihr die Knie wankten, so klein und armselig kam sie sich plötzlich vor und zugleich so weiblich und begehrenswert. Immerhin ließ er von der Kristallvase ab. Dann trat er nahe an Lua heran, beugte den Kopf und flüsterte ihr ins Ohr: »Danke.«
    Sie war ziemlich irritiert. Bedankte er sich etwa dafür, dass sie ihm Anweisungen erteilte, wie er sich in der Casa Grande zu benehmen hätte? Was sollte das? Offenbar war Lua ihre Ratlosigkeit anzusehen, denn nun schritt Lulu energisch auf Zé zu und schrie ihn an: »Du Mistkerl! Lass Lua in Frieden, oder du bekommst es mit mir zu tun!«
    Zé hob nur eine Augenbraue, doch es lag eine unmissverständliche Drohung in dieser kleinen Geste. Fernanda grunzte leise vor sich hin, und als Lua zu ihr hinübersah, bemerkte sie, dass ihre Freundin einen Lachanfall unterdrückte. Lulu war einen Schritt vor seinem Widersacher zurückgewichen und warf Fernanda wütende Blicke zu. Dann verließ er den Raum.
    Lua hoffte für ihn, dass er das Gelächter nicht mehr hörte, das ihm und seinem peinlichen Auftritt galt. Fernanda und Lua waren ganz außer sich vor Erheiterung, sie lachten, bis ihnen die Tränen hinunterliefen. Bei Lua löste das Lachen zugleich die Anspannung, die Zés vielsagende Blicke in ihr ausgelöst hatten.
    Lua versuchte, einen unauffälligen Blick auf ihn zu erhaschen und zu erkennen, was er von ihrem Gelächter hielt. Die Vorstellung, er würde es kindisch finden, war ihr schrecklich. Als sie ihn ansah, trafen ihre Blicke sich. Er beobachtete sie. Diesmal wendete sie den Blick nicht sofort ab, sondern starrte ihn genauso unverschämt an, wie er es bei ihr tat. Ein Lächeln huschte über sein schönes Gesicht, das schließlich immer breiter wurde, bis sich seine Lippen öffneten, eine makellose Zahnreihe entblößten und ein tiefes, grollendes, warmes Lachen aus seinem Mund drang.
    Lua war so hingerissen von diesem Anblick, dass sie erst zu spät die Ankunft der Sinhá Eulália im Salon bemerkte und ihr nicht augenblicklich die Aufmerksamkeit schenkte, die das neue Kleid erforderte.
    Aber was war schon das schönste Kleid der Welt gegen diesen unglaublichen Zé?

14
    L ua, du musst aufpassen. Das Ganze kann einfach nicht gutgehen. Männer wie Zé bringen nichts als Ärger, glaub mir. Am besten schlägst du ihn dir aus dem Kopf.« Fernandas Ratschläge, die sie Lua am Abend vor der Verlobungsfeier erteilte, empfand Letztere als überaus lästig. Wie kam ihre Freundin dazu, sich als ihre Beschützerin aufzuspielen?
    »Woher willst du wissen, was ich von Zé halte? Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, ich wollte mit einem Feldsklaven anbändeln?«, erwiderte Lua scharf.
    »Das sieht man doch von weitem, dass der ein Auge auf dich geworfen hat. Neulich bei der Probe, da hat er dich ja beinahe aufgefressen …«
    »Da gehören immer

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