Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
Vom Netzwerk:
zurückkehren lassen.«
    Um Elliotts Auge herum bildet sich ein Bluterguss, eine Folge von Wills Schlag. Es ist die gleiche Stelle, an der ich ihn getroffen habe, als er mich über dem Fluss hat baumeln lassen.
    »Du hast ihn gefoltert.« Will sackt gegen die Wand.
    »Ich habe Informationen bekommen«, sagt Elliott. »Du dagegen hast einen Haufen Lügen gehört. Wer von uns ist edelmütiger?«
    Ich stoße Elliott noch ein Stück weiter von Will weg. »Das reicht.«
    »Elliott«, ruft Kent vom Zimmer über uns. »Eine Muskete fehlt. Wir müssen von hier weg –«
    »Hast du ihm eine Muskete gegeben?« Elliotts Stimme ist so leise, dass sie fast ein Knurren ist. »Hat er dir gesagt, dass er Angst vor dem Sumpf hat, und du hast ein Gewehr für ihn gestohlen?«
    »Nein.«
    Will weicht Elliotts Blick aus. An der Art und Weise, wie er die Schultern hängen lässt, kann ich sehen, dass er das Ausmaß seiner Naivität begreift. Und Elliotts Wut wird immer noch größer. Die Spannung lässt ihn regelrecht beben.
    Es reicht nicht, zwischen ihnen zu stehen. Ich nehme Elliotts Hand. Er ist derjenige, der wütend genug ist, um anzugreifen. Aber meine Geste reicht tiefer, und ich weiß das. Er sieht nach unten, und unsere Blicke begegnen sich. Früher einmal habe ich geglaubt, dass Will mich retten würde. Vor mir selbst. Aber er konnte nicht einmal das tun. Ich ziehe Elliott zur Leiter, und er steigt nach oben, um Kent zu helfen.
    Ich sehe zurück. Will begreift. Und er begreift, dass er nicht das Recht hat, sich verletzt zu fühlen. Trotzdem tut er es. Ich kann den Konflikt in seinem Gesicht sehen, bevor er sich umdreht und aus dem Zimmer geht.
    Ich zögere einen Moment, dann folge ich ihm. Im Flur steht nur eine einzige Tür offen, diejenige, die zu einem verlassenen Schlafzimmer führt.
    »Hattest du ihn hier eingeschlossen?«, frage ich Will, aber ich überschreite die Schwelle nicht.
    »Im Wandschrank«, sagt er. »Sonst hätte er fliehen können.« Er deutet zum Fenster. Er will anscheinend nicht sprechen, und jetzt, da ich hier bin, weiß ich nicht, was ich zu ihm sagen soll.
    Eine Grille huscht auf die Spitze meines rechten Schuhs. Ich mache einen Satz zurück, bleibe erst stehen, als ich gegen die Tür auf der anderen Seite des Flurs stoße. Meine Hand prallt gegen den Türknauf, aber die Tür bewegt sich keinen Zentimeter. Sie ist abgeschlossen. Wenn der Gefangene nicht in einem dieser Zimmer festgehalten wurde, warum sind sie dann abgeschlossen? Würde eine Familie, die ihr Zuhause verlässt, die Türen von innen abschließen?
    Neugierig und weil ich einen Grund suche, noch ein wenig hier bei Will zu bleiben, gehe ich den ganzen Flur entlang und probiere sämtliche Türen aus. Die auf der rechten Seite sind abgeschlossen. Die auf der linken sind offen. Die Grillen sind jetzt überall, kriechen durch die Dunkelheit. Spinnen weben ausgeklügelte Netze in den Ecken. Es würde mich nicht überraschen, wenn in den Wänden Mäuse wären, und wenn dort Mäuse sind, sind dort vermutlich auch Schlangen. Ich unterdrücke einen Schauder.
    Ich drücke fest gegen eine der abgeschlossenen Türen, aber sie gibt nicht das kleinste bisschen nach.
    »Die am Ende des Korridors ist locker«, sagt Will. Er hat recht. Das Schloss wackelt. Aber es ist intakt, also war keiner meiner Kameraden genug daran interessiert, es aufzubrechen.
    Ich werfe mich mit der gesunden Seite gegen die Tür, aber auch so strahlt Schmerz in meinen Rücken aus. Ich schnappe nach Luft und lehne mich gegen die Wand, während der Schmerz nachlässt. Will sieht einfach nur zu.
    »He«, sage ich, »hilfst du mir jetzt oder nicht?« Ich kann nicht verstehen, wieso keiner der anderen versucht hat, diesem Rätsel nachzugehen. Hinter einer abgeschlossenen Tür könnte sich alles Mögliche verbergen.
    »Araby!«, ruft April von oben. »Beeilt euch, wir brechen auf!«
    »Vergiss das nicht«, sagt Will und reicht mir Vaters Tagebuch.
    »Danke.« Ich richte mich auf und versetze der Tür einen letzten Tritt. »Ich möchte, dass Elliott es liest.«
    Keiner von uns sagt noch etwas, während wir unsere Sachen packen und auf das Dach klettern.
    Sobald wir richtig auf dem Dach stehen, bin ich sofort mit Tau bedeckt oder was immer in der ausgeprägten Feuchtigkeit des Sumpfes als Tau gilt. Der Niederschlag ist auf meinen Armen sichtbar, glänzt in der schwachen Morgensonne.
    Ein Tropfen läuft mein Kleid hinunter und fällt auf die blaugrauen Schieferplatten.
    April wartet. Sie

Weitere Kostenlose Bücher