Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
Vom Netzwerk:
ihrem ausgestreckten zitternden Arm entlang. Ein Mädchen in einem Kleid, das einmal weiß war, taucht zwischen den Pflanzen auf, zieht jemanden hinter sich her. Sie achtet kaum darauf, wo sie ihre Füße hinsetzt. Das stinkende Wasser reicht ihr bis zu den Waden.
    Aus dem Unterholz ertönt ein Schuss. Elise schreit wieder, schlägt sich beide Hände vor den Mund. Das Mädchen im Sumpf dreht den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist, aber sie hält nicht an. Sie kann es nicht.
    Will reicht mir Henry, und ich kauere mich hinter die Brüstung, ziehe Elise mit mir herunter. Dankenswerterweise ist die Brüstung dick und reich verschnörkelt und hat dem Verfall besser standgehalten als das restliche Haus. Und wir sind im vierten Stock. Der Schütze wird näher herankommen müssen, um eine Gefahr für die Kinder darzustellen.
    »Hierher«, ruft Elliott dem Mädchen zu, lässt sich auf die Treppe fallen und springt die Stufen hinunter. April ist jetzt auch zu uns gestoßen. Ich bin mir bewusst, dass sie hinter mir ist, während ich weiter zusehe, wie das Mädchen verzweifelt durch den Sumpf rennt.
    Elliott bleibt an der Stelle stehen, wo die Treppe im Wasser verschwindet. Das Mädchen starrt ihn mit wilden, erschrockenen Augen an. Elliott streckt eine Hand aus.
    Aber sie stolpert, ist unfähig, sich zu fangen, weil sie ihren Kameraden nicht loslässt. Die Haare in meinem Nacken stellen sich auf. Wenn der Schütze sie töten will, wäre dies der geeignete Zeitpunkt, um zu schießen. Elliott bewegt sich, er tritt in den Morast und packt sie. Er greift auch nach dem Arm des Jungen, zieht seine Hand aber dann zurück.
    Das Gesicht des Jungen dreht sich nach oben. Ich schnappe nach Luft.
    Rote Striche laufen von seinen Augen herunter und beflecken die Maske. Das schlanke Mädchen zerrt an ihm, drängt ihn aufzustehen.
    Alles wird still. Die Frösche, die Grillen. Ich halte den Atem an.
    Der Mann da draußen muss unser ehemaliger Gefangener sein. Der Jäger. Er hat uns bisher nicht getötet, aber diese Neuankömmlinge verfolgt er. Setzt ihnen nach wie einer Beute.
    Elliotts Stiefel versinken im Sumpf, als er zwei Finger an die Kehle des Jungen legt. Der Junge ist tot. Der Rote Tod holt seine Opfer schnell.
    »Lass ihn los«, sagt er zu dem Mädchen. »Duck dich hinter das Geländer.« Sie will die Hand des Jungen nicht loslassen. In der langen Stille, die folgt, ertönen von unten leise Platscher. Ich spähe über die Brüstung und sehe, wie die dunkelgrünen Rücken von großen Reptilien aus allen Richtungen auf uns zugleiten. Ihr Kielwasser wirkt wie ein Strahlenkranz.
    Elliott mustert die Bäume. Sein Kiefer spannt sich vor Entschlossenheit an.
    Der Schütze feuert erneut, und das Fenster hinter Elliott zerbirst.
    »April!«, ruft Elliott, aber sie schießt bereits. Es klingelt in meinen Ohren.
    Elliott reißt das Mädchen von dem toten Jungen los und schiebt es auf die absackenden Holzstufen. Können Krokodile Treppen erklimmen?
    Das Mädchen wimmert leise, und dann ist Kent da, zieht sie hoch und reicht Elliott ein Gewehr. Elliott richtet sich ganz auf. Er hebt die Hand zu einer Geste, die zur Hälfte ein Salut und zur Hälfte ein Winken ist, verspottet damit denjenigen, der gerade auf ihn geschossen und ihn verfehlt hat.
    »Ich kann ihn nicht zurücklassen«, sagt das Mädchen. Ihre Stimme ist in der plötzlichen Stille klar und deutlich zu hören.
    »Er ist tot«, sagt Elliott, während er weiter auf den Sumpf hinausstarrt.
    »Aber –« Ihr Blick ist starr auf das Gesicht des toten Jungen gerichtet. Sie versucht, sich aus Kents Griff zu winden. Ich kenne den Ausdruck ihres Gesichts, der ihren Zusammenbruch spiegelt, nur zu gut. April klettert nach unten, verharrt direkt oberhalb der Stelle, an der Kent steht.
    »Bleibt hier«, sage ich zu den Kindern. Ich ignoriere den Schmerz in meiner Schulter und krieche die letzten ein oder zwei Meter über das Dach zu der Stelle, wo das Haus in sich zusammengestürzt ist.
    Die zerbrochenen Ziegelsteine bilden eine natürliche Leiter, also kann ich zumindest nach unten klettern, ohne wie Elliott springen zu müssen. Am ersten Treppenabsatz steht Will. Ich mache Anstalten, an ihm vorbeizugehen, aber er legt mir eine Hand auf den Arm.
    Das Mädchen ist ein dünnes kleines Straßenkind, aber obwohl es voller Dreck aus dem Sumpf ist, ist es hübsch. Die weiße Maske bedeckt den größten Teil ihres Gesichts, lässt nur die großen kummervollen Augen sehen.
    »Elliott,

Weitere Kostenlose Bücher