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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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Stirn gegeben hat, wenn ich wegdämmerte und einschlief.
    »Haben Sie gesehen, wie es passiert ist?«, frage ich. »Oder haben Sie es nur gehört?« Wie auch immer, die Geschichte klingt für mich erschreckend echt.
    Er greift in seinen Umhang. Ich mache einen Schritt rückwärts, rechne damit, dass er eine Waffe zieht, aber stattdessen holt er die Brille meines Vaters heraus. Ich strecke die Hand aus, und der Mann lässt die Brille in meine zitternde Handfläche fallen.
    Sie ist leichter, als ich erwartet hatte. Aber es ist seine. Der linke Bügel ist verdreht. Ich würde sie immer erkennen.
    Meine Beine weigern sich, mich aufrecht zu halten, und ich breche auf der Straße zusammen.
    »Es tut mir leid«, sagt der Mann. Diesmal kann ich das Bedauern in seiner Stimme hören. Er tritt zur Mündung der Gasse, ruft die Wachen vom Club her. Sie kommen herbeigelaufen, helfen mir auf die Beine. Dann ist der Mann weg. Zusammen mit Elliotts Brillantring und meinen Hoffnungen, die Welt wieder in Ordnung zu bringen.
    Ohne meinen Vater und sein schwer fassbares Gegenmittel gibt es nur einen einzigen Menschen, der April retten kann: Malcontent. Er hat behauptet, er hätte ein Heilmittel. Wenn es nicht schon zu spät dafür ist. Wenn er nicht zu wütend darauf ist, dass sie meine Flucht ermöglicht hat. Würde er ihr den Übergriff vergeben, wenn ich mich ihm ausliefere? Ich muss mich darauf vorbereiten, es herauszufinden.

Dreizehn
    A ls ich mich Aprils Zimmer nähere, rechne ich mit dem Schlimmsten. Aber sie sitzt in einem leuchtenden Kleid da.
    »Das hier vergisst du immer wieder«, sagt sie anstelle eines »Hallo«, wie es normale Menschen machen würden. Sie hält mir meine Kosmetiktasche hin.
    Ich stürze in ihre Arme und drücke sie. »Wie fühlst du dich?«, setze ich schon an, aber sie legt ihre Hand auf meine Maske und bringt mich zum Schweigen.
    »Sprechen wir nicht darüber. Wir sind wieder im Debauchery Club.« Ich starre sie an, einen Moment etwas verunsichert, und dann lacht sie. »Komm, färben wir deine Haare.«
    Sie holt Flaschen und Phiolen aus ihrer eigenen Tasche. Ich möchte mit ihr lachen, aber ich fürchte, wenn ich es tue, wird irgendetwas in mir zerbrechen. Das Beste, was ich zustande bringe, ist ein Lächeln.
    »Dies ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich dich lächeln sehe«, sagt sie sanft.
    »Es gab nicht so viel zum Lachen.« Mein Vater kann nicht tot sein. April kann nicht todkrank sein.
    Aber ich weiß, dass es stimmt. Ich habe meinen eigenen Zwillingsbruder in den Armen gehalten, als das Leben aus ihm herausgesickert ist. Jeden Tag geschehen schlimme Dinge. Unaussprechliche Dinge.
    »Du wirst dich nicht wiedererkennen«, sagt sie, und es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass sie von meinen Haaren spricht.
    Als sie sie zum ersten Mal gefärbt hat, war es so, dass ich Finn nicht mehr im Spiegel gesehen habe. Ob die Farbe etwas damit zu tun gehabt hat oder nicht, ich sehe ihn heute kaum noch. Seit Malcontents Angriff habe ich wochenlang kaum noch an ihn gedacht. Aber die Erinnerungen sind immer noch da. Wenn Vater tot ist und wenn Malcontent mich tötet, ist nur noch Mutter übrig, um sich an Finn zu erinnern.
    Es ist wichtig, sein Angedenken zu bewahren. Aber er würde trotzdem wollen, dass ich um April kämpfe. Auch wenn das bedeutet, alles zu verlieren. Ihn eingeschlossen.
    »Du hast Elliott das mit unserem Vater erzählt«, sagt April und gießt Wasser in eine Waschschüssel. »Ich kann es an der Art und Weise erkennen, wie er mich ansieht. Halb bedauernd und halb wütend.«
    Aprils Zimmer ist üppiger eingerichtet als meines. Wandbehänge bedecken die Wände, und geschwungene Möbelstücke ragen rings um uns auf, Frisiertische und Kleiderschränke. Ein Ankleidezimmer steht offen, und eine Reihe von Kleidern liegt verstreut herum. Das Tablett vom Morgen mit dem Frühstück steht noch auf dem Nachttisch. Die Bediensteten sind nicht gekommen, um es wieder abzuholen. Sie haben zu große Angst davor, sich mit der Seuche anzustecken.
    »Er musste es wissen.«
    April dreht mich um, sodass sie hinter mir ist. Ihre Hände sind in meinen Haaren, massieren die Kräutermischung ein, die die Farbe verändern wird.
    »Verdient er es zu wissen, dass du in Will verliebt bist?«, fragt sie leise.
    Obwohl sie sich an meinen Haaren zu schaffen macht, drehe ich mich zu ihr um. Ihre blonden Haare schimmern und fallen in Wellen über ihre Schultern. Aber über ihrer linken Augenbraue ist eine wunde,

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