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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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erkennen, dass etwas nicht stimmt. Er verströmt Wut und Verzweiflung. Seine Haare stehen wirr vom Kopf ab, und seine Stirn liegt in Falten.
    Er schiebt Henry in meine Richtung.
    »Elise ist weg. Sie ist einen Moment nach draußen gegangen, und Malcontents Männer haben sie geschnappt.«
    Ich sinke zurück an die vertäfelte Wand. »Oh nein!«, sage ich heiser. »Woher weißt du, dass es Malcontent war?«
    »Henry sagte, sie hätten dunkle Umhänge getragen. Ich muss gehen und sie suchen, und ich kann ihn nicht mitnehmen. Ich weiß, ich habe kein Recht, dich das zu fragen, aber würdest du auf ihn aufpassen?«
    Henrys Augen sind riesengroß. Ich schlinge meine Arme um seine viel zu dünnen Schultern. »Du machst ihm Angst.«
    »Das ist auch nötig. In einer Welt, in der jemand einfach so …« Seine Stimme versagt. »Ich habe sie seit Jahren drinnen behalten. Ich habe dafür gesorgt, dass sie in Sicherheit war. Ich werde alles tun, um sie zurückzuholen.« Er dreht sich um.
    »Will, warte.« Ich setze Henry auf meine Hüfte und stelle mich ihm in den Weg. »Du weißt nicht, wohin du gehen musst, du weißt nicht –«
    »Ich weiß, dass Malcontent kleine Mädchen stiehlt. Ich gehe in den Untergrund. An den Ort, an den ich dich gebracht habe, als er die Kinder das erste Mal hatte. Die Tunnel beim Pier. Wenn sie da nicht ist, werde ich weitersuchen.«
    »Brauchst du mich?«, frage ich ihn. »Du könntest mich wieder mitnehmen …«
    Ich halte Henry fest und sehe Will direkt in die Augen. Ohne unsere Blicke voneinander zu lösen, packt er Henry auf eine Weise an der Schulter, die dem kleinen Jungen weh tun muss, aber er beklagt sich nicht.
    »Es ist erstaunlich, wie recht dein Freund hatte. Geradezu prophetisch.«
    »Er ist nicht mein –«, setze ich an, aber dann schüttle ich den Kopf. »Womit hatte er recht?«
    »Mit den Gefahren, die damit verbunden sind, wenn man sich aus zu vielen Menschen etwas macht.« Das Aufblitzen in seinen Augen lässt mein Herz einen Moment stehen bleiben. Und dann lässt er Henry los und geht um mich herum.
    Henry und ich sehen ihm nach, bis er um die Ecke verschwunden ist, und dann lauschen wir eine Weile seinen Schritten, die sich mehr und mehr entfernen. »Gehen wir nach unten und besorgen wir dir etwas zu essen«, sage ich schließlich zu Henry. Sein Gesicht ist bleich und abgespannt, und er vergräbt es an meiner Schulter. Bevor wir zur Küche kommen, hält uns ein Diener auf.
    »Sie haben einen Besucher«, sagt er. »Einen alten Diener Ihrer Familie?«
    Unser alter Kurier steht im Flur. Ich bin so froh, ihn am Leben und wohlbehalten zu sehen, dass ich ihn umarmen würde, wenn ich nicht bereits Henry tragen würde.
    Er kommt zu mir gelaufen und packt meinen Arm. Seine Finger zittern, und seine Augen sind eingesunken, als würde er unter schrecklichen Schmerzen oder Sorgen leiden. »Miss Araby! Gott sei Dank habe ich Sie gefunden. Prosperos Männer haben meine Tochter mitgenommen.«
    » Prosperos Männer?«
    »Ja. Sie sagen, dass sie sie retten, aber die Leute in der Unterstadt wissen es besser.«
    »Sind Sie sicher, dass es nicht Malcontent war?«
    »Es war Prospero«, beharrt er. »Sie müssen von seinen Waisenhäusern gehört haben, wo er seine Diener und seine … Unterhaltungskünstler ausbildet. Er plant noch ein paar letzte Darbietungen für seinen großen Maskenball.«
    Ich sehe Henry an. Ich habe geschworen, ihn zu beschützen, aber Will ist hinter dem falschen Mann her. Elise und wer weiß wie viele andere Mädchen sind in Gefahr.
    »Wissen Sie, wo dieses Waisenhaus ist?«
    »Nein. Die Leute flüstern darüber, aber …«
    »Kommen Sie mit nach oben.« Ich setze Henry wieder ab und führe ihn und den Kurier in Aprils Zimmer.
    April sitzt im Bett, von Kissen abgestützt. Das Tablett mit dem Essen steht immer noch unberührt auf dem Frisiertisch. Ich schiebe Henry zum Essen hin und bedeute dem Mann, sich ebenfalls zu bedienen; er ist in den Wochen, seit ich ihn nicht mehr gesehen habe, hager geworden.
    »Ich hatte eigentlich vor, das zu essen«, sagt April, als Henry einen Pudding entdeckt und sich ihn mit einer solchen Konzentration in den Mund schaufelt, dass ich glaube, er müsste anfangen zu schielen.
    »Ich werde die Diener bitten, mehr zu schicken«, sage ich. »Wo ist Mina?« Noch während ich frage, streckt das Mädchen den Kopf aus dem Durchgang zu Aprils Ankleideraum. Ich winke sie zu uns. »Diese Waisenhäuser. Du hast gesagt, dass dein Bruder dich vor ihnen

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