Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
entfernt stand Grim und glotzte wie benommen auf Velva. Die Zauberin schien vor ihm zu knien.
    Ein brennender Schmerz fuhr Aki durch alle Glieder. Er sah, dass Velva gar nicht kniete. Sie wurde nur durch das Schwert gehalten, das Grim festhielt. Die Klinge steckte bis zum Heft in Velvas Mund und war in ihrem Nacken wieder ausgetreten. Blut strömte wie ein Sturzbach über ihren Rücken.
    Aki hörte einen Schrei, dieses Mal war es sein eigener. Er hob das Schwert, um sich auf Grim zu stürzen. Um ihn zu töten.
    Etwas hielt ihn von hinten fest, und als er sich losreißen wollte und sich umdrehte, sah er in Geirmunds wutverzerrtes Gesicht. Der Alte schlug mit der Faust zu, und die Welt wurde schwarz wie die finsterste Nacht.

40.
    Es goss in Strömen, als Thankmar sein Heer zur Eresburg führte. Über dem Berg jagten Wolken grau und schwer dahin. Der Weg schlängelte sich den Berg hinauf, rechts von ihnen ging es steil bergab. Windböen fauchten um die Steilhänge. Tief unten strömte der reißende Fluss durchs Tal. Mühsam kämpften sich Hunderte Pferde über den schlammigen Weg, der von Süden her als einziger Zugang auf die Gipfelebene führte.
    Hauptmann Ernust, der neben Thankmar an der Spitze des Heeres ritt, warf dem Grafen einen Blick zu, als dieser eine heitere Melodie zu pfeifen begann.
    «Ihr scheint gut gelaunt zu sein, Herr», meinte Ernust, den kahlen Kopf zwischen den breiten Schultern eingezogen.
    «O ja», erwiderte Thankmar. «Ist das nicht ein wundervoller Tag?»
    Der Mantel hing nass und schwer von seinen Schultern. Lächelnd wischte er sich über die Augen. Sofort tropfte aus seinen Brauen Regenwasser nach.
    Ernust grummelte etwas, was nicht nach einer Bestätigung klang.
    «Das ist ein Wetter, bei dem Siege errungen werden», erklärte Thankmar. «Die Zaghaften, die Prahler und Stiefellecker bevorzugen Sonnenschein. Aber wenn Gott die Welt mit Sturm und Chaos überzieht, steht ein wahrer Herrscher mit erhobenem Schwert auf dem Schlachtfeld und badet im Blut seiner Feinde.»
    Ernust machte ein nachdenkliches Gesicht. Er schien auch noch über die Worte seines Herrn zu grübeln, als sie bald darauf die Hochebene erreichten, auf der die von einem Erdwall und einer hölzernen Brustwehr gesicherte Burg thronte. Unterhalb des Burgwalls war die Ebene mit dicht an dicht stehenden Zelten vollgestellt, über denen die Banner der Aufständischen wehten. Männer wateten durch knöcheltiefe Pfützen zwischen den Zelten und befestigten sie gegen den stärker werdenden Wind.
    Am Rand des Plateaus zügelte Thankmar sein Pferd und wartete auf seine Soldaten. Unter ihnen waren viele Männer, die ihn im vergangenen Herbst nach Hladir begleitet hatten. Als die Schar nachgerückt war, gab Thankmar den Befehl, die Zelte auf den verbliebenen Freiflächen aufzustellen. Die Soldaten begannen sogleich, die Planen und Tücher über dem aufgeweichten Boden auszurollen.
    Thankmar ließ von Ernust zwei Dutzend Blutmäntel auswählen, dann ritten sie über einen mit Bohlen befestigten Weg zur Burg.
    Die Anlage stand im Herzogtum Sachsen, unweit zur Grenze des Herzogtums Franken. Vor etwa zweihundert Jahren war sie vom alten Frankenkaiser Carolus bei den Kämpfen zwischen Franken und Sachsen erobert worden. Carolus, den die Geschichtsschreiber
magnus
, den Großen, nannten, hatte dabei das sächsische Heiligtum, die heidnische Irminsul, zerstört. Vielleicht würde Thankmar wieder eine solche Weltensäule errichten, wenn es so weit war. Nicht, weil er etwas für heidnische Gottheiten übrighatte, nein, ganz gewiss nicht. Er würde es zu Ehren der alten Sachsen tun, die einst auf dieser Burg residiert hatten – hier, wo Thankmars Vater den Tod gefunden hatte.
    Am Tor versperrten ihnen Soldaten des Burgherrn, Graf Gunther, den Weg. Thankmar saß ab, stellte sich vor, und die Wachen ließen ihn und seine Männer passieren. Auf dem verwaisten Burghof suhlten sich Schweine im Schlamm.
    Linker Hand des Tores standen Pferdeställe und ein halbes Dutzend schilfgedeckte Hütten mit Lehmwänden. Geradeaus erhob sich der aus Steinen errichtete Palas. Vor der geschlossenen Tür suchten zwei Wachposten unter einem Dachvorsprung Schutz vor dem Wetter.
    Thankmar schickte Ernust und die Blutmäntel mit Gepäck und Pferden zu den Ställen und Hütten. Sie sollten die Pferde versorgen und sich ein Quartier suchen.
    Er selbst machte sich auf den Weg zur Burgkapelle, einem kleinen Steingebäude mit Spitzdach und einem Holzkreuz davor, das sich in

Weitere Kostenlose Bücher