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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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mit Steinen eingefassten Feuerstelle.
    Da kam ihm eine Idee. Es war zwar gefährlich, aber er sah keine andere Möglichkeit.
    «Hör zu», flüsterte er und erläuterte seinen Plan.
    Asny sah nicht überzeugt aus. «Glaubst du, sie sind wirklich so dumm?»
    «Wenn dir etwas Besseres einfällt, mach einen anderen Vorschlag.»
    Asny schüttelte den Kopf.
     
    Aki kroch zur Feuerstelle und wählte einen Stein aus, der etwa so groß wie zwei Männerfäuste war. Mit dem Stein bezog er neben dem Eingang Stellung. Er gab Asny ein Zeichen.
    Sie holte Luft und rief durch die Höhlenöffnung: «Wir schaffen es nicht! Wir brauchen das Gestell, um Mutter rauszuschaffen. Sie ist sehr krank …»
    Vor dem Eingang waren wütende Stimmen zu hören.
    Aki nickte seiner Schwester aufmunternd zu. Das mit dem Gestell war ein guter Vorwand.
    Die Brombeerruten raschelten. Kurz darauf tauchten die verschnürten Haselstangen auf. Akis Herzschlag beschleunigte sich. Sein Plan würde nur gelingen, wenn einer der beiden Sklavenhändler in die Höhle kam, damit Aki ihm das Schwert abnehmen konnte. Mit einem Schwert würde er sich durchaus zutrauen, gegen einen der beiden anzutreten. Was Grim oder Geirmund ihm an Kraft voraushatten, konnte Aki durch Schnelligkeit und Wendigkeit wettmachen.
    Das Gestell war etwa zur Hälfte in der Höhle, als es gegen eine Wand stieß und sich verkeilte.
    «Zieht es rein und legt die Seherin drauf», hörte Aki Geirmunds Stimme. Der Alte saß offenbar unmittelbar vor dem Eingang.
    «Es hat sich verklemmt», rief Asny zurück. «Wir brauchen eure Hilfe.»
    Geirmund stieß einen Fluch aus. Dann war sein keuchender Atem zu hören.
    Aki hielt den Stein mit beiden Händen an der Stelle über dem Eingang, an der Geirmunds Kopf auftauchen würde. Er zwang sich, ruhig zu atmen, um das Zittern seiner Hände unter Kontrolle zu bekommen. Während er wartete, fielen ihm die Worte ein, die Ketil vorgelesen hatte, bevor Aki zum Markt aufgebrochen war. Damals hatte der Christengott Aki nicht beigestanden; aber vielleicht würde er es heute tun, und wenn er wirklich so mächtig war, wie Ketil behauptet hatte, dann …
    Von Gott kommt meine Hoffnung
, dachte Aki.
Nur er ist mein Fels und mein Heil, meine sichere Burg; ich werde nicht wanken
 …
    Da bewegte sich etwas im Eingang. Erst war es nur ein Schatten, dann erschien Geirmunds Kopf, dann sein Hals, und schließlich kamen die breiten Schultern zum Vorschein. Er kroch auf allen vieren in die Höhle.
    Aki spannte seine Muskeln an.
    Plötzlich hielt Geirmund inne. Seine Augen mussten sich an das Zwielicht gewöhnen.
    «Wo ist die Seherin?», schnaubte er und drehte sein Gesicht zu Aki.
    Aki sah noch, wie Geirmund die Augen aufriss, dann ließ er den Stein auf den Schädel des Sklavenhändlers niederfahren. Er traf ihn über dem linken Ohr. Geirmund stieß einen stöhnenden Laut aus und sank zu Boden.
    Aki warf den Stein fort und packte Geirmund an den Schultern. Asny kroch herbei und half ihm. Gemeinsam zogen sie den leblosen Alten Stück für Stück herein.
    «Was ist da los?», rief Grim draußen. «Vater? Vater, sag doch was!»
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie zumindest Geirmunds Oberkörper durch das Loch hatten. Aki seufzte erleichtert. Das Schwert hing an Geirmunds Gürtel.
    Grims Stimme wurde panischer. «Was habt ihr mit Geirmund gemacht? Ich bringe euch um, wenn ihr ihm etwas angetan habt! Hört ihr mich? Ich räucher euch aus!»
    Aki griff nach dem Schwert. Er wollte aus der Höhle, um es mit Grim aufzunehmen. Doch Geirmunds breiter Hintern blockierte den Eingang. Er legte die Klinge wieder zur Seite und zog gemeinsam mit Asny an Geirmund, bis er endlich drin war.
    Da ertönte ein schriller Schrei.
    Die Zwillinge fuhren zusammen. Sie hatten die Stimme sofort erkannt – es war Velva! Und sie schrie wieder und wieder und stieß die Worte auf eigenartig verzerrte Weise aus.
    Dann war Grims Brüllen zu hören, und es wurde still.
    Viel zu still.
    Aki schnappte sich das Schwert. Aber als er nach draußen wollte, begann sich Geirmund zu regen. Aki hatte nicht fest genug zugeschlagen. Er hoffte, dass der Alte noch immer benommen war, und bewegte sich auf das Loch zu. Asny rief nach ihm. Aki kroch weiter. Er musste wissen, was mit Velva geschehen war. Warum sie keinen Laut mehr von sich gab.
    Aki achtete nicht auf die Dornen, die sein Gesicht zerkratzten. Er kämpfte sich weiter voran. Dann war er draußen – und erstarrte.
    Nur wenige Schritte von ihm

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