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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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jedem eine Belohnung zahlen, der uns etwas über euch sagen kann. Wie es aussieht, hat sich der Kerl mit den Hirschgeweihen die zehn Münzen wirklich verdient. Er hat nämlich euren Freund, den großen Mönch, getroffen. Seit dem Vorfall auf dem Markt weiß fast jeder in der Mark, dass er mit euch unter einer Decke steckt. Wir brauchten nur noch seinen Spuren zu folgen, auch wenn das nicht ganz einfach war, weil der Schnee an einigen Stellen getaut ist, aber …»
    «Halt deinen Mund», herrschte sein Vater ihn an.
    Im Gegensatz zu Grim wirkte Geirmund äußerst angespannt. Und wachsam.
    Der Alte richtete die Schwertklinge auf die Zwillinge.
    «Wo ist die Seherin?», zischte er. In seinem Bart hingen Speicheltropfen.
    Akis Herz schlug schnell. Er durfte jetzt nichts Falsches sagen. «Mutter ist nicht hier. Sie ist fortgegangen, schon vor längerer Zeit. Wir sind ganz allein …»
    «Fort?», brüllte Geirmund. Zwischen seinen buschigen Augenbrauen bildete sich eine tiefe Zornesfalte. «Ich glaube dir kein Wort, Bastard. Wo ist die Zauberin? Rede! Oder soll ich deiner Schwester die Nase abschneiden?»
    «Vielleicht ist sie da drin?», warf Grim ein und zeigte auf den Erdhügel. «Wir haben euch schon eine ganze Weile beobachtet und gesehen, wie ihr durch das Loch rein- und rausgekrochen seid.»
    «Sie ist fort», wiederholte Aki.
    Grim grinste feist. «Dann ist sie also tatsächlich da drin. Der Kerl lügt, das hat er schon immer getan – gelogen und betrogen!»
    «Ja!», sagte Asny plötzlich. «Sie ist in der Höhle.»
    Aki starrte seine Schwester an. Wie konnte sie so etwas behaupten? Hatte sie den Verstand verloren? In wenigen Augenblicken würden die Sklavenhändler herausgefunden haben, dass sie gelogen hatte. Doch dann wurde ihm mit einem Mal klar, was Asny vorhatte.
    Die Falte zwischen Geirmunds Augenbrauen wurde wieder kürzer. «Sagt der Seherin, sie soll sofort herauskommen. Wenn sie irgendeinen Zauber versucht oder uns verfluchen will, töten wir euch.»
    «Mutter ist sehr krank», log Asny. «Sie kann nicht mehr gehen …»
    «Dann machen wir ihr Beine», warf Grim ein. «Wir könnten ein Feuer anzünden und die Seherin ausräuchern.»
    Geirmund schlug seinem Sohn mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.
    «Du hast weniger Verstand als ein toter Hering, Junge! Willst du riskieren, dass die Seherin stirbt? Du kennst die Befehle des Grafen. Er
muss
sie lebendig haben. Sonst gibt es keine Belohnung, und obendrein wird er uns die Köpfe abschlagen.»
    «Aber wie kriegen wir sie aus der Höhle, ohne von ihr verflucht zu werden?»
    Geirmund dachte einen Moment nach. Dann berührte er mit der Spitze der Schwertklinge Asnys Nase. «Du holst sie raus!»
    «Ich helfe ihr», sagte Aki schnell. «Allein kann sie unsere Mutter nicht tragen.»
    Die Sklavenhändler wechselten Blicke, bis Geirmund zustimmend knurrte.
    «Und wenn alle drei nicht mehr rauskommen?», gab Grim zu bedenken.
    Zum ersten Mal zeigte sich so etwas wie ein Lachen auf Geirmunds bleichem Gesicht. «Das werden sie, mein Junge, das werden sie.»
    Die Zwillinge verschwanden in der Höhle und krochen, kaum dass sie drin waren, gleich weiter zum Hinterausgang. Aki steckte seine Hände in das Gestrüpp, mit dem das Loch verborgen und abgedichtet war. Als er jedoch die Äste und Zweige zur Seite ziehen wollte, stieß er gegen einen harten Widerstand.
    «O nein!», stöhnte er.
    «Was ist?»
    «Ich habe vollkommen vergessen, dass Ketil im Winter einen Stein vor den Ausgang gerollt hat, gegen die Kälte. Weißt du nicht mehr, wie fürchterlich es gezogen hat?»
    Asny setzte sich auf den Haufen aus zerrupften Reisig- und Schilfresten, die unter den Fellen gelegen und ihr Schlaflager gepolstert hatten. Sie zog die Beine an und senkte den Kopf auf die Knie.
    Aki legte ihr tröstend einen Arm um die Schultern.
    Hinter dem Brombeergestrüpp am Vordereingang schimmerte dünnes Tageslicht. Sie konnten Grims und Geirmunds gedämpfte Stimmen und die Geräusche ihrer Schritte hören.
    «Und was tun wir jetzt?», fragte Asny.
    «Ich weiß es nicht.»
    Aki ließ seinen Blick durch die Höhle schweifen. Kaum noch etwas wies darauf hin, dass hier mehrere Menschen auf engstem Raum zusammengelebt hatten. Alles, was sie besaßen, hatten sie ausgeräumt. Jetzt lagen die Sachen auf dem Haselgestell, über das sich gerade die Sklavenhändler hermachten. Mehrmals war dumpfes Scheppern zu hören, als Tonschalen und Becher zerbrachen.
    Akis Blick fiel auf die Überreste der

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