Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
was auch passieren wird», rief er.
    Thankmar nickte zustimmend und ging dann zu seinem mitgebrachten Weinfässchen.
    «Ich habe mir erlaubt, Euch, Herzog Evurhard, für diesen besonderen Anlass ein ganz besonderes Geschenk zu überreichen», sagte er. «Erinnert Ihr Euch an den Wein, den Ihr bei Eurem Besuch auf der Markgrafenburg genossen habt?»
    «O ja!», bestätigte Evurhard. «Das war ein außergewöhnlich guter Wein.»
    «Dann reicht mir Euren Becher», bat Thankmar. «Ich möchte Euch gleich einen Schluck davon einschenken.»
    Evurhard leerte seinen Becher in einem Zug und hielt ihn unter das Fass. Thankmar drehte den kleinen Hebel am Zapfhahn nach rechts und ließ den dunkelroten Frankenwein in Evurhards Becher rinnen.
    Huga schien das gar nicht zu gefallen.
    «Herr, Ihr solltet den Wein nicht ungeprüft …», warf die Kröte ein.
    «Ach was!», rief Evurhard. «Einen solchen Tropfen darf ich mir nicht entgehen lassen.»
    Doch als Evurhard trinken wollte, legte ihm Huga eine Hand auf den Arm.
    «Der Markgraf soll ebenfalls von dem Wein trinken», drängte Huga.
    Alle Blicke richteten sich auf Thankmar.
    «Aber natürlich – wenn mein künftiger König mir einen Schluck von dem Geschenk spendiert», sagte er lachend.
    «Nur zu, mein Freund», meinte Evurhard.
    Thankmar nahm einen Becher vom Tisch, drehte beim Zapfen den Hebel dieses Mal nach links und ließ den roten Wein aus dem Hahn laufen.
    Im vergangenen Sommer hatte Thankmar dieses besondere Fässchen in Haithabu einem byzantinischen Händler abgekauft. Im Inneren gab es zwei voneinander getrennte Kammern, die mit unterschiedlichen Flüssigkeiten gefüllt werden konnten. Je nach Stellung des Hebels am Hahn konnte man wählen, aus welcher Kammer gezapft werden sollte. Der Byzantiner hatte erklärt, dass ein Mann namens Philon von Byzanz vor vielen Jahrhunderten dieses System erfunden hatte, eigentlich um es mit verschiedenen Weinsorten zu füllen. Der Händler verlangte für das Fass stattliche einhundert Gramm Silber, und Thankmar war gern bereit, die Summe dafür zu zahlen.
    Als sein Becher gefüllt war, drehte er sich zu Evurhard und der Kröte um.
    «Trinken wir auf unseren Sieg!», rief Evurhard so laut, dass seine Stimme im Saal widerhallte.
    «Und auf den neuen König», ergänzte Thankmar.
    «Nein!», fuhr Huga dazwischen. «Der Markgraf soll zuerst trinken.»
    Gemurmel erhob sich. Die Anwesenden wunderten sich über Hugas Misstrauen.
    Thankmar ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er setzte den Becher an die Lippen und nahm unter Hugas prüfenden Blicken zwei große Schlucke.
    «Seid Ihr nun zufrieden, Huga?»
    Die Kröte nickte kantig, und endlich tranken auch Evurhard und dann alle anderen.
    Thankmar wartete in aller Seelenruhe ab, bis sie ihre Becher geleert hatten, und zog dann ein in Tuch eingeschlagenes Pergament unter seinem Mantel hervor. Er faltete das Tuch auseinander und hielt die Urkunde in die Höhe.
    Huga trat als Erster heran. Herzöge, Grafen und Priester drängten hinterher.
    «Was soll das sein?», fragte Huga.
    «Das werde ich Euch gleich erzählen», entgegnete Thankmar.
    Er richtete seinen Blick auf Evurhard, der etwas abseits von den anderen stand und in diesem Moment genau dieselben Reaktionen zeigte wie die Menschen, an denen Thankmar zuvor das Gift getestet hatte. Evurhards Augen weiteten sich, dass es den Anschein hatte, sie würden aus seinem dunkelrot angelaufenen Gesicht quellen. Sein Atem ging stoßweise. Der Becher fiel aus seiner zitternden Hand zu Boden.
    «Er hat ihn vergiftet!», riefen einige Männer.
    «Diese Urkunde ist ausgestellt worden von König Heinrich, meinem Großvater», rief Thankmar schnell. «Darin wird mein Vater als Thronfolger bestimmt. Daher bin ich es – und nur ich allein! –, der als sein direkter Nachfahre Anspruch auf die Herrschaft hat – und nicht Evurhard. Diese Urkunde ist zudem älter als alle Ansprüche, die Otto hat!»
    Verwirrte Blicke glitten zwischen der Urkunde und Evurhard hin und her.
    Der Herzog war auf die Knie gesunken und presste die Fäuste gegen seinen Magen. Speichel tropfte aus seinem Mund. Huga kauerte neben seinem Herrn und versuchte, den vor Schmerzen zuckenden Herzog zu halten.
    Graf Barthold von Hildenisheim trat mit wutverzerrter Miene vor Thankmar. «Wir haben Evurhard Treue und Gefolgschaft gelobt – so wie Ihr es getan habt. Er ist unser Führer!»
    «Die Urkunde besagt etwas anderes», erwiderte Thankmar gelassen.
    Barthold stand mit zu

Weitere Kostenlose Bücher