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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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den anderen zu treten, bis er den Druck nicht mehr aushielt und zum hinteren Teil des Schiffs ging. Aus irgendeinem Grund zog er es vor, vom Heck aus ins Wasser zu pinkeln. Vielleicht aus Gewohnheit, vielleicht weil dort weniger Männer schliefen, die das Plätschern hätte wecken können.
    Aki holte Luft. Er musste schnell handeln und weckte Asny, die ihn überrascht anschaute. Er legte einen Zeigefinger an seine Lippen, holte den Beutel unter der Decke hervor und fischte die Schlüssel heraus.
    Asnys Augen weiteten sich.
    «Stell keine Fragen», flüsterte Aki. «Ich erkläre es dir später.»
    Asny nickte. Über ihre Lippen legte sich ein Lächeln. Sie sah glücklich aus, so glücklich und voller Hoffnung wie lange nicht mehr.
    Vom Heck her hörten sie es plätschern. Fokkos Blase schien ordentlich gefüllt zu sein.
    Aki öffnete zunächst das Schloss von Asnys Fußfessel und legte sie geräuschlos auf der Decke ab, bevor er ihre Hände von der Kette befreite. Dann gab er ihr die Schlüssel und ließ sich von ihr die Fesseln abnehmen.
    Das Gefühl war überwältigend, nach so langer Zeit endlich wieder Arme und Beine ausbreiten zu können, auch wenn sie von den ungewohnten Bewegungen schmerzten und die Stichwunde auf Akis rechtem Arm brannte. Leise raunte er Asny zu: «Beweg deine Arme und Beine, sonst ertrinken wir im eiskalten Wasser.»
    Das Plätschern wurde leiser. Dann waren gedämpfte Stimmen zu hören. Offenbar hatte Fokko Gesellschaft bekommen, und Aki hoffte, dass der andere Mann ihn noch eine Weile ablenkte.
    Doch auch damit war das Problem nicht völlig aus dem Weg geschafft. Wenn er und Asny über Bord sprangen, würde Fokko das unweigerlich hören und sie im Mondschein sehen. Es gab an Bord Pfeile und Bögen, und Aki war überzeugt, dass die Männer davon Gebrauch machen würden.
    Daher hatte sich Aki einen Plan zurechtgelegt. Er war zwar riskant, aber Aki sah keine andere Möglichkeit. Er flüsterte seiner Schwester ins Ohr, was er vorhatte. Ihr skeptischer Gesichtsausdruck verriet, was sie von dem Plan hielt: nicht viel. Doch sie nickte Aki aufmunternd zu. Sie hatten wirklich keine andere Wahl.
    Jemand lachte.
    Aki nahm die Decke, schlich zur Feuerschale und berührte sie. Sie war nicht mehr so heiß, dass er sich daran die Hände verbrennen würde. Vorsichtig zog er sie zu sich und schaute hinein. Einige Scheite glühten noch. Grim hatte nicht daran gedacht, das Feuer zu löschen.
    Aki hielt einen Zipfel der Decke an die Glut.
    Während er darauf wartete, dass der Stoff Feuer fing, fiel sein Blick auf Geirmund, der fest zu schlafen schien. Grim war nirgendwo zu sehen. Wahrscheinlich lag er weiter hinten bei den anderen.
    Endlich begann die Decke zu glimmen, dann züngelten kleine Flammen daran empor. Es war so weit! Aki knüllte die Decke zusammen. Das Feuer würde Fokko und alle anderen ablenken.
    Aki wollte sich gerade von der Schale abwenden, als er sah, dass Geirmunds Augen geöffnet waren. Auf den Pupillen spiegelten sich die Flammen.
    Aki wirbelte herum, um so schnell wie möglich das brennende Knäuel in den hinteren Teil des Schiffes zu werfen. Doch er war zu aufgeregt, der Wurf viel zu hastig ausgeführt. Die Decke verfing sich am Mast, entfaltete sich und fiel zwischen die Tiere auf der anderen Seite des Laderaums.
    Sofort begannen die Schweine zu quieken. Die Pferde schnaubten und wieherten, und dann überdeckte das Brüllen des Ochsen alle anderen Geräusche. Der Wattenvogel erzitterte unter den donnernden Hufen.
    Aki vergaß alle Vorsicht. In wenigen Augenblicken würde der Ochse alle Männer an Bord geweckt haben.
    «Asny, schnell, zieh dich aus!», rief er und riss sich ebenfalls die Kleider vom Leib. Die Kleider würden sie im Wasser nur behindern.
    Gemeinsam rannten sie zur Bordwand.
    «Das Wasser wird eiskalt sein», sagte Aki. «Versuch dich darauf einzustellen, sonst lähmt es dich.»
    Sie nickte. Die Freiheit war zum Greifen nah. Als Aki ihr jedoch helfen wollte, über die Bordwand zu klettern, spürte er eine knochige Hand auf seiner nackten Schulter. Er wurde mit festem Griff gepackt und von Asny fortgezogen. Geirmund funkelte ihn zornig an. Die dicke Ader auf seiner Stirn trat blau hervor.
    «Ihr elenden Bastarde!», krächzte er. «Ich werde euch …»
    Er brachte den Satz nicht zu Ende, denn in diesem Moment ließ ihn ein Brüllen zusammenfahren. Flammen schlugen über den Wall. Offenbar hatten sich das Stroh und einige Waren entzündet. Auch der Mast brannte. Die Tiere

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