Das Lied des Todes
abzuschütteln. Es sah aus, als sei ihm ein drittes Horn gewachsen. Der Anblick des vom Wahnsinn gezeichneten Tieres, das mit der Klinge im Schädel auf ihn zuhielt, ließ Aki erstarren. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von den todbringenden Hörnern.
Beweg dich, schoss es Aki durch den Kopf. Lauf! Lauf! Aber seine Beine wollten dem Befehl nicht folgen.
Da packte ihn jemand am Arm und zog ihn zur Seite. Der dampfende Körper pflügte durch Kisten und Fässer, schoss eine Armeslänge entfernt an Aki vorbei und prallte am Rand des Laderaums gegen den Balken, auf dem die Decksplanken lagen. Die Schwertklinge wurde bis zum Heft in den Schädel gedrückt. Der Ochse brüllte ein letztes Mal, dann kippte er um.
Aki zitterte am ganzen Körper.
«Ins Wasser, schnell!», zischte Asny. «Sie haben uns bemerkt.»
Tatsächlich zeigten einige Männer auf die Zwillinge. Die meisten waren jedoch weiterhin mit Löschen beschäftigt.
Sie krochen zur Bordwand. Eine Kiste war so gefallen, dass sie daraufsteigen und über die oberste Planke klettern konnten. Aki sprang als Erster hinauf und drehte sich um, um Asny hinaufzuhelfen. Doch Asny ergriff seine Hand nicht. Arme hatten sich von hinten um sie geschlungen.
«Hab ich euch!», fauchte Grim.
Er würgte Asny.
«Komm runter, Hurensohn, oder ich breche ihr das Genick.»
Gedanken rasten durch Akis Kopf. Er hatte nichts, womit er Grim hätte angreifen können.
Die anderen Männer waren mit Löschen beschäftigt, und es schien, als würden die Flammen kleiner werden. Immerhin war es gelungen, ein Übergreifen des Feuers auf das Deck zu verhindern. Der Mast war allerdings nicht mehr zu retten. Er brannte bis in die Spitze, auch über die Rah krochen Flammen.
Grim spannte die Muskeln an. «Zum letzten Mal, Hurensohn: Komm runter!»
Aki war der Verzweiflung nah. Er musste tun, was Grim verlangte, um Asny zu retten.
«Flieh!», röchelte Asny. «Flieh ohne mich, Aki!»
Tränen rannen über ihre Wangen.
Aki schüttelte den Kopf und wollte gerade von der Kiste steigen, als ihn ein knackendes Geräusch nach oben schauen ließ. Über ihm zerbrach der Mast, kippte und krachte gegen Aki. Er schreckte vor dem brennenden Holz zurück. Die Flammen versengten seine Haut. Aki wankte, stieß mit den Füßen gegen die obere Planke und fiel.
Eiskaltes Wasser schlug über ihm zusammen.
50.
Brun massierte mit den Daumen seine geschlossenen Lider. Er holte tief Luft, öffnete die Augen und senkte langsam den Blick auf das Pergament vor ihm auf dem Tisch.
«Wo sind die Schwäne?», murmelte er.
Einer der Männer im Raum räusperte sich.
Oder habe ich die Schwäne einfach übersehen?, fragte sich Brun.
Es fiel ihm zunehmend schwerer, sich zu konzentrieren. Er ging die Aufstellung für das
Festmahl erneut durch. « 50 Schweine und 150 Schweineschultern», las er vor.
« 50 Rinder, 210 Schafe, ebenso viele
Lämmer … und dann 10000 Eier, 3000 Käse, 25 Schüsseln Fett, 35000 Gerstenbrote, 21000 Weizenbrote, 30 Fässer fränkischer Wein.»
Er hatte sich nicht geirrt.
Brun schaute in die Runde. Vor dem Tisch standen die fünf Männer, die er für diesen Morgen in den Capitolstempel, das große Säulengebäude aus der Römerzeit, einbestellt hatte. Auch Wilhelm war gekommen, hielt sich aber abseits von den anderen.
«Warum fehlen die Schwäne auf der Liste?», fragte Brun. «Ich habe klare Anweisungen gegeben. Der König will Schwäne. Keine Enten, keine Gänse, nein – Schwäne!»
Ein Mann, der mit einer blauen Tunika und einer roten Hose bekleidet war, trat vor und griff in eine Tasche. Brun hatte Fürst Rothard mit der Beschaffung der Lebensmittel beauftragt. Rothard räusperte sich erneut und zog aus der Tasche ein zweites Pergament, das er auf den Tisch legte.
«Herr, wie konnte ich nur vergessen …»
«Schon gut!»
Brun beugte sich über das Schriftstück.
«In Milch gekochte Bohnen, Aalpasteten, gebratene Aale, 1600 Flusskrebse und hier … 10 Schwäne … Nein! 15 ! Ich hatte 15 gesagt!»
«Selbstverständlich, Herr», warf Rothard ein und wollte nach dem Pergament greifen. «Ich werde die Anzahl umgehend korrigieren.»
«Lasst gut sein.»
Brun nahm den Federkiel, der neben einem mit Galltinte gefüllten Gefäß lag, und tunkte die Spitze hinein. Er strich die Ziffer durch und ersetzte sie durch die Zahl 15 . Dann gab er Rothard die Pergamente zurück, die dieser vorsichtig zusammenrollte und wieder verstaute.
Brun unterdrückte ein
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