Das Lied des Todes
gute Geschäfte – und Fulrad auf eine baldige Bezahlung der Schiffsreise.
Bereits morgen, so meinte Fulrad, könne man die Diusburg erreichen.
Am Abend war der Wattenvogel in einer Bucht vor Anker gegangen. Der sich allmählich verdunkelnde Himmel war wolkenlos. Es würde eine sternklare und kalte Nacht werden. In den seichten, vom Rhenus hereinschwappenden Wellen schaukelte das Schiff hin und her.
Es wurde immer stiller an Bord. Händler und Seeleute bereiteten ihr Nachtlager vor und wickelten sich in Decken und Felle ein.
Auf der anderen Seite des Laderaums hörte Aki die Schweine grunzen. Der Ochse ließ ein tiefes Brummen hören. Es klang zufrieden. Die Tiere hatten frisches Heu bekommen.
Aki fand keinen Schlaf. Seine Gedanken drehten sich nur um eine Frage: Wie konnte ihnen die Flucht gelingen, bevor sie die Burg erreichten? Die Zeit wurde immer knapper, und die Gefahr, dass Grim und Geirmund dieses Mal einen zahlungswilligeren Käufer fanden, war wesentlich größer als auf dem verregneten Marktplatz der Friesensiedlung Staveran.
Es war zum Verzweifeln!
Grim ließ den Lederbeutel niemals unbeobachtet. Seit Geirmund krank geworden war, hatte sein Sohn die Hoheit über die Schlüssel.
Der Zustand des Alten hatte sich seit Staveran weiter verschlechtert. Die meiste Zeit verbrachte er auf dem Lager neben dem Laderaum, wo er in Decken gehüllt von Fieberschüben geplagt wurde. Immer wieder schüttelten heftige Hustenanfälle seinen ausgezehrten Körper. Er konnte weder feste Nahrung noch den Wein bei sich behalten, den er gegen die Schmerzen zu trinken versuchte. Die anderen Männer mieden Geirmund aus Angst, sich anzustecken. Selbst Grim hielt sich weitgehend fern und hatte sich ein Lager etwas abseits vom Laderaum eingerichtet. Offenbar litt Geirmund an etwas anderem als einer vorübergehenden Seekrankheit.
Aber hin und wieder kümmerte sich Grim um seinen Vater, so wie an diesem Abend.
Im letzten Dämmerlicht konnte Aki sehen, wie Grim mit einer Feuerschale auftauchte. Er stellte sie bei Geirmunds Lager ab und warf Späne und gröbere Holzstücke hinein.
Der Alte wachte auf. Sofort begann er, so heftig zu keuchen und zu bellen, als wolle der Husten seinen Körper zerreißen.
Aki fürchtete, Asny könne aufwachen. Doch die Geräusche weckten sie nicht.
Nachdem Geirmund wieder eingeschlafen war, begleiteten seine rasselnden Atemzüge Grims Versuche, das Feuer zu entzünden. Es dauerte nicht lange, bis dünner Rauch aufstieg und kleine Flammen aus der Schale schlugen. Grim setzte sich ans Feuer und füllte einen Becher mit Wein. Eine Weile trank er vor sich hin, als sich mit einem Mal Schritte näherten.
«Ich habe euch verboten, Feuer zu machen», sagte eine wütende Stimme.
Fulrad und ein Seemann bauten sich vor Grim auf, der jedoch keinerlei Anstalten machte, das Feuer zu löschen.
«Mein Vater braucht Wärme», entgegnete er. «Oder willst du es auf deine Kappe nehmen, wenn der Alte die Nacht nicht überlebt? Du weißt, es bringt deinem Schiff Unglück, wenn ein Mann darauf stirbt.»
«Trotzdem! Das Feuer ist zu gefährlich.»
«Hab dich nicht so, Schiffsführer. Sieh doch, der Wind trägt den Rauch von den Tieren fort. Es wird nichts geschehen.»
Fulrad dachte kurz darüber nach, wandte sich dann an den anderen Mann und wechselte leise einige Worte mit ihm.
«Ubbo wird auf dich aufpassen», sagte Fulrad dann zu Grim. «Ich traue dir nicht über den Weg.»
Grim hob grinsend seinen Weinbecher und nickte Fulrad zu, der sich abwandte und wieder zu seinem Lager ging.
Grim reichte Ubbo, der sich neben ihm niedergelassen hatte, einen Becher mit Wein. Doch der winkte ab.
«Fulrad hat es verboten, während der Wache zu trinken», meinte er.
«Stell dich nicht so an. Von mir erfährt er nichts. Zu zweit trinkt es sich leichter.»
Ubbo nahm den Becher, hielt ihn aber unschlüssig in der Hand. Grim trank einen großen Schluck, rülpste und wischte sich dann mit dem Hemdsärmel über Lippen und Bart.
«So einen guten Honigwein bekommst du so schnell nicht wieder», meinte er.
Ubbo roch an dem Wein, sein Widerstand schien zu bröckeln. Er reckte den Hals und warf einen Blick über den Laderaum hinweg zum Heck, wo Fulrad sein Lager beim Steuerruder hatte.
«Aber du hältst den Mund», sagte er.
Grim grinste, und Ubbo trank.
«Und?», fragte Grim
«Mhm, wirklich gut.»
«Du bist doch Friese, nicht wahr? Ich verwette den Arsch meines Alten, dass ein Friese nicht halb so viel verträgt wie ein
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