Das Lied des Todes
Däne.»
Das ließ sich Ubbo nicht zweimal sagen. Er legte den Kopf in den Nacken, leerte den Wein und hielt Grim den Becher zum Nachfüllen hin.
Nachdem die beiden eine zweite und dritte Runde hinter sich hatten, wurde Ubbos Stimme schwerer. «Die Sklaven da unten – wollt ihr die bei der Diusburg verkaufen?»
«Wenn sie jemand haben will und genug dafür zahlt.»
Ubbo schaute in den Laderaum. Schnell schloss Aki die Augen und stellte sich schlafend.
«Ich würde das Weib sofort nehmen», hörte er Ubbo sagen, «wenn ich genug Geld hätte. Ist sie noch Jungfrau?»
«Ja.»
Ubbo seufzte und trank.
Aki öffnete die Augen wieder. Es machte ihn wütend, dass die Kerle über Asny redeten, als wäre sie ein Stück Vieh. Asny war mehr wert als diese beiden Trinker da oben zusammen, ach was – mehr wert als alle anderen Menschen überhaupt. Aki dankte den Göttern, dass Asny das Geschwätz nicht mit anhören musste.
«Weißt du», sagte Ubbo, «manchmal stelle ich mir vor, wie diese Frau unter mir liegt und ich …»
«Pass gut auf, dass es bei dieser Vorstellung bleibt», fuhr ihm Grim ins Wort.
«Sei ruhig, Däne. Man wird ja mal laut denken dürfen.»
Dann tranken sie eine Weile weiter und starrten schweigend in die Flammen.
Aki hatte den Eindruck, dass Grim allmählich ungeduldig wurde, weil der Friese so lange durchhielt. Doch dann winkte Ubbo ab, als Grim erneut nachschenken wollte.
«Ich sehe diese verdammten Flammen schon doppelt», lallte Ubbo.
«Dann leg dich hin.»
«Ich hab Wache.»
«Die übernehme ich für dich.»
«Du? Du hast doch selbst drei … oder vier Becher getrunken.»
«Fünf. Ich habe früher angefangen als du.»
«Ach!»
«Womit entschieden wäre, wer mehr verträgt.»
Ubbo wollte nach dem Becher greifen, ließ es aber doch sein. «Und du sagst zu niemandem ein Wort?»
«Nein.»
Grims Miene verzog sich zu einem Grinsen, während sich Ubbo torkelnd davonmachte. Beinahe wäre er über einen schlafenden Mann gestolpert. Aus irgendeinem Grund schien Grim erleichtert zu sein, den Friesen los zu sein. Dabei hatte er ihm selbst angeboten, mit ihm zu trinken.
Er füllte sich einen weiteren Becher und setzte sich dann so, dass er die Zwillinge im Blick hatte. Die Schatten der Flammen huschten über sein schiefes Gesicht. Er grinste noch immer.
Aki schloss die Augen.
Eine Böe strich über die Landschaft. Das Schiff wiegte sich sanft. Müdigkeit übermannte Aki, und er schlief ein.
Als er erwachte, stand der Mond noch immer über dem Mast. Aber irgendetwas war anders.
Aki hörte Geräusche. Er merkte, dass Asny nicht mehr an seiner Schulter lehnte. Als er den Kopf drehte, gefror ihm das Blut in den Adern. Grim war da. Er kniete mit heruntergelassener Hose zwischen Asnys Beinen. Die Tunika war über ihr Gesäß hochgerutscht. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und in ihrem Mund steckte etwas, das aussah wie ein zusammengerollter Stofffetzen. Grim hielt ihr ein Messer an den Hals. Die Klinge blitzte im Mondschein, als er zu Aki herüberschaute.
Er verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen. «Bist ja endlich wach, Hurensohn. Ich hatte schon befürchtet, wir müssten ohne dich anfangen.»
Aki öffnete den Mund, aber aus seiner Kehle kam nur ein erstickter Laut.
«Psst!», machte Grim. «Du weckst noch die anderen Männer auf. Wenn du einen einzigen Ton von dir gibst, schneide ich ihr was ab. Hm, vielleicht ein Ohr. So, wie ich es damals bei dir hätte tun sollen, Hurensohn!»
Asny warf ihrem Bruder einen flehenden Blick zu. Sie wollte ihn davon abhalten, Grim anzugreifen.
Aki war hin und her gerissen. Er zweifelte nicht daran, dass Grim seine Drohung wahr machen würde. Aber er konnte auch nicht tatenlos zusehen, wie Asny vergewaltigt wurde.
«Der Alte stirbt», lallte Grim. «Der stirbt eh. Wenn nicht heute, dann morgen. Oder übermorgen. Ich werde auch ohne ihn in die Mark finden, und ohne das verdammte Silber. Und ich will endlich mal wieder ein Weib haben – und zwar genau das da! Weißt du, Hurensohn, wenn man so aussieht wie ich, stehen die Weiber nicht gerade Schlange, um es sich von einem besorgen zu lassen. Außerdem will ich etwas nach Hause mitnehmen: die Erinnerung daran, wie ich mich an dir gerächt habe!»
In der Feuerschale am Rande des Laderaums knackte ein Scheit. Flammen loderten auf und warfen flackernde Schatten über Grims Gesicht, das wie eine vom Wahnsinn verzerrte Maske aussah.
Aki musste sich zwingen, seine Hände im Schoß zu lassen und
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