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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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vorgeschlagen, zur Unterstützung auch Handelsschiffe einzusetzen. Thankmar wollte gerade etwas dazu sagen, doch nun wandte er sich an Ernust.
    «Soldat!», rief er in scharfem Befehlston.
    Ernust kratzte seine Glatze. «Es ist sehr wichtig, Herr.»
    «Nichts kann so wichtig sein, dass es eine Unterbrechung unserer Besprechung rechtfertigt, oder?»
    «Hm, doch.»
    Thankmar musste sich eingestehen, dass Ernusts Hartnäckigkeit seine Neugier weckte. Für gewöhnlich hielt sich der Hauptmann an die Befehle.
    «Dann sprich», forderte Thankmar ihn auf. «Aber fass dich kurz!»
    Ernust warf einen Blick auf die anderen Anwesenden. «Es ist … es wäre besser …»
    Thankmar verstand und sagte zu Gunther: «Auch ich hatte Eure Idee natürlich längst in Erwägung gezogen. Aber die Handelsschiffe können mit ihrem Tiefgang nicht auf der anderen Flussseite anlanden.»
    «Wir haben noch mehr als einen Monat», meldete sich Barthold zu Wort.
    Thankmar nickte nachdenklich. Selbst wenn es eine weitere Woche dauerte, den Tross überzusetzen, blieb ihnen noch reichlich Zeit, und bislang war eigentlich alles nach Plan verlaufen.
    «Für heute haben wir das Wesentliche besprochen», sagte er und beendete die Versammlung.
    Als er mit Ernust allein war, ließ er sich auf seinem Stuhl nieder und winkte den Hauptmann zu sich. «Nun?»
    Ernust öffnete den Mund, und es schien, als wolle er zu einer längeren Rede ansetzen. «Herr, wir haben …»
    Dann verstummte er abrupt, als wisse er nicht genau, wie er aussprechen sollte, was ihm auf der Seele lag.
    Thankmar zog die Augenbrauen zusammen.
    «Ihr habt was?», fragte er scharf.
    «Wir haben jemanden gesehen, Herr. Nein, eigentlich war es Valgard, der Däne aus Eurer Leibgarde …»
    «Valgard ist mir bekannt, Soldat. Komm endlich zur Sache!»
    Ernust senkte den Blick. «Ich bin mir nicht sicher, und ich will nichts Falsches sagen. Es ist besser, Ihr kommt mit und seht es Euch selbst an, versteht Ihr?»
    Thankmar verstand gar nichts. Seine Finger trommelten auf den Lehnen des kostbaren Stuhls, den er von der Eresburg hatte mitnehmen lassen. Gunther hatte keine Einwände gehabt, zumindest hatte er es nicht gewagt, welche zu äußern.
    Thankmar betrachtete Ernust. Der Hauptmann machte nicht den Eindruck, als ob es bei seinem Anliegen um eine belanglose Sache ginge, und einen Scherz würde er sich mit seinem Herrn niemals erlauben.
    «Gut», sagte Thankmar.
    Er stand auf, gürtete das Schwert, zog die Lederhandschuhe über und legte seinen Mantel um. Dann folgte er Ernust vor das Zelt. Die Sonne stand bereits tief über dem Horizont jenseits des großen Stroms.
     
    Das Heerlager war auf einer weitläufigen Grasfläche im Hinterland der Diusburg errichtet worden. Für das zügige Verschiffen der Truppe wäre es von Vorteil gewesen, so dicht beim Hafen wie möglich zu lagern. Aber der Verwalter der Pfalanza hatte ihnen den abgelegenen Platz zugewiesen. Thankmar musste dies zähneknirschend hinnehmen, aber er hatte sich den Namen des Verwalters gemerkt.
    Ernust lief voran. Thankmar beeilte sich, um mit ihm Schritt zu halten. Sie hasteten über den ausgetretenen Weg. Bald darauf passierten sie das Holztor und gelangten in die Siedlung, die wegen drohender Normannenüberfälle mit einem Erdwall und einer hölzernen Brustwehr umschlossen war. Dann eilten sie weiter durch das Gassengewirr.
    Obwohl sich der Tag dem Ende zuneigte, waren hier viele Menschen unterwegs. Die meisten wichen freiwillig vor dem bulligen Sachsen zurück, und wer es nicht rechtzeitig schaffte, den Weg freizugeben, den stieß Ernust einfach zur Seite.
    Thankmars Neugier wurde immer größer. Ihm war schleierhaft, was es so Wichtiges geben konnte, dass Ernust eine solche Eile an den Tag legte. Wenn es um eine gewöhnliche Angelegenheit ging, etwa einen Streit zwischen betrunkenen Soldaten zu schlichten, hätte er dies bereits im Lager erklärt.
    Sie kamen auf den Weg, der am Burggraben verlief. Thankmar dachte daran, dass Otto manchmal auf seinen langen Reisen durch das Reich in der Pfalanza der Diusburg residierte. Residiert hatte, musste es wohl besser heißen. Thankmar malte sich in Gedanken aus, wie er bald selbst durch das Haupttor der Burg reiten würde, anstatt wie ein Dieb außerhalb der Mauer entlangzuhuschen. Er freute sich schon jetzt auf das Gesicht, das der überraschte Verwalter machen würde, wenn er in Thankmar den Mann wiedererkannte, dem er den Platz auf der Grasfläche zugewiesen hatte.
    Vermutlich wird

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