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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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er sich entschuldigen, dachte Thankmar, und ganz sicher werden das seine letzten Worte sein.
    Als sie den Markt erreichten, verlangsamte Ernust seine Schritte, und sie gingen nebeneinander her über den Platz. Bei den meisten Buden waren die Läden inzwischen geschlossen, und von vielen Ständen waren die Auslagen weggeräumt worden. Nur wenige Händler harrten noch aus und hofften auf ein letztes Geschäft, bevor die Sonne unterging.
    Thankmar war versucht, den Hauptmann erneut nach dem Grund für sein rätselhaftes Gehabe zu fragen, aber er übte sich in Geduld. Es schien, als habe Ernust sein Ziel fast erreicht. Er trat in den abgetrennten Bereich des Sklavenmarktes, ging einige Schritte weiter und blieb dann stehen. Er stieß einen Fluch aus.
    «Was wollen wir hier?», fragte Thankmar.
    «Sie sind weg!»
    «Wer ist weg?»
    Ernust war jedoch schon wieder davongeeilt. Er lief zu einem dicken Mann, offenbar ein Sklavenhändler. Thankmar schloss zu Ernust auf und hörte ihn mit dem Händler in der Sprache der Sachsen reden. Er fragte nach vier Männern und einer Sklavin.
    «Diese dänischen Krötenschisse?», erwiderte der Händler, sichtlich verärgert darüber, dass Ernust sich nicht für seine Sklaven interessierte.
    «Genau die», erwiderte Ernust.
    Der Händler rollte demonstrativ eine Peitsche aus, wahrscheinlich um Ernust damit zu beeindrucken.
    «Ich hoffe, die Bastarde sind allesamt in den Fluss gefallen und ersoffen und …»
    Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Ernust packte ihn an den Schultern und stemmte ihn so hoch, dass seine Füße in der Luft schwebten. Die Peitsche fiel zu Boden.
    «Wo sind die Dänen?», zischte Ernust.
    Die Überheblichkeit wich dem Händler aus dem Gesicht. «Sie sind … zum Hafen. Haben sie gesagt. Bier trinken … Herr.»
    «Und die Sklavin? Ist sie verkauft worden?»
    «Nein.»
    Ernust ließ den Mann los, der unsanft auf dem Hintern landete. Er schien zwar große Angst vor dem glatzköpfigen Soldaten zu haben, hatte aber dennoch nicht seine Geschäftstüchtigkeit verloren und bat Ernust freundlich, sich unter seinen Sklavinnen nach einer Jungfrau umzuschauen.
    Ernust drehte sich zu Thankmar um. «Wir müssen weiter.»
     
    Der Hafen kam zur Ruhe. Die hämmernden Arbeitsgeräusche der Schiffsbauer waren verklungen. Auf den Landebrücken und Schiffen hielten sich nur noch wenige Menschen auf, die mit den letzten Vorbereitungen für die Nacht beschäftigt waren, ihre Lager ausbreiteten, Taue zusammenrollten und Kisten stapelten.
    Ernust kletterte auf ein Fass und ließ seinen Blick schweifen. Offensichtlich konnte er nicht das entdecken, wonach er suchte. Sein Gesicht wurde immer länger. Er kletterte wieder herunter und lotste Thankmar an Hütten und Bootsschuppen vorbei zu den Fähren, die am Ufer auf die nächsten Einsätze warteten. Ein gutes Dutzend Soldaten lungerte dort herum. Sie wachten über Packwagen, mit denen man Gerätschaften aus dem Zeltlager herangekarrt hatte, damit alles gleich am Morgen auf die Fährschiffe verladen werden konnte.
    Als die Soldaten Thankmar und den Hauptmann sahen, nahmen sie Haltung an. Ernust fragte sie nach einem Gasthaus, und sie wiesen ihnen den Weg zu einer Bierschwemme in der Nähe.
    In der Hafensiedlung war das Gelächter und Gegröle betrunkener Männer zu hören. Das Gasthaus war gut besucht. Die meisten Gäste drängten sich an langen Tischen, die man ins Freie gestellt hatte.
    Ernust blieb an der Ecke eines Schuppens stehen. Er schaute zu den Trinkern, zog sich dann hinter einen Kistenstapel zurück und gab Thankmar ein Zeichen, ihm zu folgen.
    Es war ein eigenartiges Gefühl, einem anderen Mann die Führung zu überlassen. Aber Thankmar ließ den Hauptmann gewähren.
    «Sie ist da», sagte Ernust. Sein Gesicht glühte vor Aufregung.
    «Wer denn, verdammt noch mal?»
    Etwas strich an Thankmars Beinen entlang, und als er an sich herabblickte, sah er einen Hund mit schwarzem Fell, der bettelnd zu ihm aufschaute. Der Köter stank nach altem Fisch.
    «Da vorne, gleich am ersten Tisch, sind die Dänen», flüsterte Ernust.
    Thankmar schaute in die Richtung, in die Ernusts ausgestreckter Zeigefinger zeigte, und sah einen älteren und einen jüngeren Mann. Beide klammerten sich an ihre Bierkrüge, aus denen sie hin und wieder einen Schluck nahmen. Irgendetwas stimmte nicht mit dem Gesicht des Jüngeren. Es schien, als ob die Knochen falsch zusammengewachsen seien.
    «Neben dem hässlichen Kerl sitzt eine Frau», sagte

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