Das Lied des Todes
tun, als sich umbringen zu lassen.»
Hakon legte das Fell zur Seite, erhob sich und zog das Schwert aus der Scheide. Er ging zu einem Baum, an dessen Stamm ein faustgroßer Pilz wuchs. Die Klinge blitzte auf und trennte den Pilz mit einem sauberen Schnitt ab.
Malina trat neben Hakon. «Ich glaube, du bist ein Krieger, der eine sehr weite Reise gemacht hat. Hast du all das auf dich genommen, um jemanden zu töten?»
«Du fragst zu viel, Frau.»
«Malina!»
«Hintperi.»
«Was bedeutet das? Ich kenne nicht alle Worte deiner Sprache.»
«Himbeere.»
66.
Im Schutz der Dunkelheit verließen Hakon und Malina den Wald. Nachdem sie eine Weile über die Brachfläche gestapft waren, stießen sie auf einen Wasserlauf, der zur Pfalanza führte. Sie folgten dem von Sträuchern und Erlen gesäumten Bach, bis sie hinter einem Haselstrauch stehen blieben. Sie waren noch etwa fünfzig Schritt von der Mauer entfernt. Die Tür lag zu ihrer linken Seite. Die Helme der Soldaten waren als kleine, im Mondlicht schimmernde Punkte zu erkennen.
«Sie nutzen den Graben zur Bewässerung ihrer Teiche», erklärte Malina leise. «Unterhalb der Mauer gibt es einen Durchfluss.»
Sie deutete mit den Händen die Größe des Lochs an.
«Zu klein für uns», meinte Hakon.
«Für dich ja, für mich nicht. Ich krieche hindurch und hole dich über die Mauer. Mit einem Seil oder einer Leiter, je nachdem, was ich finde.»
«Hm.»
Als sie Hakons Zögern bemerkte, sagte sie: «Du kannst mir vertrauen. Dein Gefühl täuscht dich nicht.»
Hakon hatte tatsächlich keine andere Wahl, auch wenn das Risiko bestand, dass sie ihn verriet. Die Männer jenseits der Mauer würden einen Haufen Münzen springen lassen für den Hinweis auf einen Normannen, der sich auf unerlaubte Weise Zugang verschaffen wollte.
Ein Schatten rauschte über ihre Köpfe hinweg, flog voraus und landete auf der Mauer.
«Nun?», meinte Malina. «Was hältst du von meinem Plan? Dein merkwürdiger Vogel wartet schon auf uns.»
Hakon nickte.
Sie begann sich auszuziehen, erst die dünnen Schuhe, dann die Tunika und schließlich das kurze Unterkleid. Hakons Blick streifte ihren Körper.
Sie lachte ihr helles Lachen. «Gefällt dir, was du siehst, Krieger?»
Er schaute woanders hin.
«Bring mir nachher meine Sachen mit», bat sie.
Er hörte es leise plätschern und sah sie durchs knöcheltiefe Wasser davonwaten. Ihre Haut schimmerte in der Dunkelheit. Als sie die Mauer erreichte, legte sie sich flach ins Bachbett und war kurz darauf verschwunden.
Hakon vermisste sein Schwert. Er hatte es im Wald unter einer Schicht Laub zurückgelassen. Die lange Klinge wäre in der Pfalanza viel zu auffällig.
Eine Böe strich über das Land und spielte mit den Haselzweigen. Auf der Mauer stieß der Rabe einen krächzenden Laut aus.
Hakon hob Malinas Kleider auf, verstaute sie unter seinem Hemd und lief los. Geduckt huschte er am Graben entlang zu einem Gebüsch, etwa zehn Schritt von der Mauer entfernt.
Von hier aus waren die Soldaten besser zu erkennen. Es waren deutlich mehr als in den vergangenen Nächten, mindestens ein Dutzend. Aber Hakon hatte damit gerechnet, dass die Wachen am Vorabend eines so bedeutenden Ereignisses verstärkt werden würden.
Etwas kam über die Mauer geflogen. Ein Seil, das mit einem Stein beschwert war. Kurz über dem Boden prallte der Stein gegen die Mauer. Das Seil pendelte einige Male hin und her, dann hing es still.
Hakon machte sich bereit. Als er jedoch das Versteck verlassen wollte, warnte ihn der Rabe mit einem Krächzen.
Hakon zog sich wieder zurück und sah zwei Soldaten an der Mauer entlang in seine Richtung kommen. Verdammt! Malina musste das Seil hochziehen, sonst würden die Männer es entdecken. Aber wie sollte er sich bemerkbar machen? Rufen konnte er nicht, die Soldaten waren bereits zu nah. Dann verschmolzen ihre glänzenden Helme plötzlich mit der Dunkelheit. Die Männer waren nicht mehr zu sehen, nur noch ihre Stimmen leise zu hören. Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben.
Hakon schnellte vor. Mit fünf, sechs langen Schritten war er an der Mauer und tastete nach dem Seil. Er warf einen Blick in Richtung Tür. Sie lag im Dunkeln, ebenso wie die Soldaten. Er packte das Seil und zog sich Stück für Stück hinauf, die Füße gegen die Mauer gestemmt. Oben angekommen, holte er das Seil rasch ein und legte sich flach hin. Sein Herz raste. Die Stimmen der Soldaten waren nun sehr nah. Dann entfernten sie sich wieder, wurden leiser
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